Dem Vernehmen nach will das Ministerium zwar an dem von der Europäischen Kommission geforderten, viel kritisierten 20 %-Abschlag vom Bedarf bei der
Stickstoffdüngung in den roten Gebieten festhalten. Die Vorgabe soll nach seinen Vorstellungen jedoch nicht mehr schlagbezogen, sondern im Durchschnitt der Flächen eines Betriebes umgesetzt werden müssen.
Zudem sollen nach dem Vorschlag des Agrarressorts Betriebe, die im Durchschnitt der Flächen in den roten Gebieten nicht mehr als 170 kg Gesamtstickstoff je Hektar ausbringen, sowohl von dem 20 %-Abschlag als auch von der geforderten schlagbezogenen Obergrenze für organische Düngemittel in Höhe von 170 kg N/ha ausgenommen werden.
Auch für Grünland sollen die beiden Verpflichtungen nicht gelten. Darüber hinaus soll es Ausnahmen vom bislang vorgesehenen Verbot der
Herbstdüngung bei
Winterraps und bei Zwischenfrüchten in den roten Gebieten geben.
Dem
Bundeslandwirtschaftsministerium zufolge soll eine Düngung zulässig sein, wenn gemäß Nmin-Probe nur ein bestimmter Umfang an Stickstoff je Hektar pflanzenverfügbar ist. Schließlich will man für alle Gebiete erreichen, dass Flächen, die Beschränkungen der Stickstoffdüngung unterliegen, in die Berechnung der N-Obergrenze von 170 kg im Betriebsdurchschnitt einbezogen werden können.
Klöckner holt Länder ins BootWie zu erfahren war, will die Bundesregierung Anfang Juni der
EU-Kommission ein kompromissfähiges Angebot vorlegen.
Für kommende Woche hat Ressortchefin Julia Klöckner ihre Länderkollegen nach Berlin eingeladen, um darüber zu beraten. Die Länder hatten das bisherige Vorgehen des Ministeriums in der Auseinandersetzung mit der Kommission scharf kritisiert und beklagt, dass sie nicht einbezogen worden waren.
In der vergangenen Woche fand bereits eine Zusammenkunft der zuständigen Abteilungsleiter im Bundeslandwirtschaftsministerium und den Agrarressorts der Länder statt. Dem Vernehmen nach hat sich dabei noch kein eindeutiges Meinungsbild zu den Vorschlägen aus Berlin ergeben. Sollte sich dies bei der Zusammenkunft der Minister in der nächsten Woche ändern, müsste das
Bundesumweltministerium der Position noch zustimmen, mit der die Bundesregierung in Brüssel in die Verhandlungen gehen will.
Tierhaltung generell an die Fläche bindenUnterdessen haben die Grünen am vergangenen Freitag ihren Antrag „Grundwasser schützen,
Überdüngung stoppen“ in den
Bundestag eingebracht. Darin wird gefordert, die von der EU-Kommission geforderten Verschärfungen der
Düngeverordnung unverzüglich umzusetzen. Insbesondere in den stark belasteten roten Gebieten müsse die Bundesregierung schnellstmöglich eine gute
Wasserqualität sicherstellen.
Für unerlässlich halten die Grünen, die Tierhaltung in Deutschland generell an die Fläche zu binden und den Viehbestand auf ein umweltverträgliches Maß von maximal 2 Großvieheinheiten (GVE) pro Hektar zu reduzieren. Begrenzt werden müsse ebenfalls der zu hohe Einsatz von Mineraldünger. Zudem müsse die Regierung dafür Sorge tragen, dass die Nährstoffströme realitätsgetreu bilanziert würden und echte Transparenz über die Nährstoffströme geschaffen werde. Schließlich sei eine umweltfreundliche Landwirtschaft zu fördern, die zur Reduzierung der Stickstoffeinträge beitrage.
Zunehmende VerunsicherungDer agrarpolitische Sprecher der Fraktion,
Friedrich Ostendorff, übte erneut scharfe Kritik am Vorgehen der Bundesregierung. Der Grünen-Politiker kritisierte eine „Hängepartie“ um die
Neuregelung der Düngeverordnung, die der Praxis nicht mehr zu vermitteln sei und bei den Bäuerinnen und
Bauern eine unvertretbare Verunsicherung hinterlasse. Ministerin Klöckner müsse endlich eine Lösung vorlegen, „die wirksamen
Wasserschutz gewährleistet, Bäuerinnen und Bauern Planungssicherheit gibt und Strafzahlungen vermeidet“.
Dazu gehöre kurzfristig eine wirksame Reduzierung der Stickstoffeinträge in den belasteten Gebieten mit Ausnahme von gewässerschonenden Betrieben, die nicht Verursacher der
Grundwasserbelastung seien. Gleichzeitig müsse zügig eine Regelung auf den Weg gebracht werden, „die eine dauerhafte Lösung bringt, vertragssicher ist und auch andere relevanten Regelungen wie die Stoffstrombilanzverordnung berücksichtigt“.
Tierhaltung besser in der Fläche verteilenDer CDU-Bundestagsabgeordnete Kees de Vries forderte am vergangenen Freitag (17.5.) im Bundestag eine sachliche
Diskussion zur Lösung des Nitratproblems im Grundwasser. Die pauschale Forderung nach Abbau der Tierbestände und einer flächengebundenen Tierhaltung sei dabei „unsinnig“. Statt dessen müsse es darum gehen, regional hohe Viehdichten durch eine bessere
Verteilung der Tierhaltung in der Fläche zu reduzieren. Eine wesentliche Voraussetzung dafür sei jedoch, dass Stallbauten in vieharmen Regionen ermöglicht würden.
„Mit einer pauschalen Anti-Massentierhaltungspropaganda wird das nicht zu schaffen sein“, sagte de Vries in Richtung der Grünen. Der CDU-Politiker rief dazu auf, gemeinsam mit der Landwirtschaft Konzepte zur Reduzierung der
Nitratbelastung zu erarbeiten. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass ein Teil der gegenwärtigen Probleme durch Fehler der Landwirtschaft in der Vergangenheit verursacht würden. Vieles habe sich seither verbessert, weil neue Erkenntnisse in die Bewirtschaftung eingegangen seien. „Auf diesem Weg müssen wir weitergehen“, betonte der gelernte Landwirt.
„Blanker Populismus“Als „blanken Populismus“ bezeichnete der landwirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Dr. Gero Hocker, die düngepolitischen Vorstellungen der Grünen. Er warf ihnen vor, „pauschal und ohne jede faktische Fundierung die Landwirtschaft in eine Ecke zu stellen“.
Landwirtschaftsministerin Klöckner hielt Hocker erneut vor, sie verhandele in Brüssel über eine erneute
Novellierung der Düngeverordnung, könne aber noch nicht einmal Fragen zur aktuell gültigen beantworten. Dies gelte für die Entwicklung des Transports von
Wirtschaftsdünger aus Tierhaltungs- in Ackerbauregionen in den vergangenen Jahren. Gerade in dieser Frage liege jedoch ein wesentlicher Ansatz für praxisgerechte Lösungen, um die Nährstoffe dort einzusetzen, wo sie gebraucht würden.
„Wer wirklich sauberes Trinkwasser will, muss die Probleme dort lösen, wo sie bestehen“, so Hocker. So könne etwa die Landwirtschaft ihren Beitrag leisten, indem wertvoller Naturdünger aus Tierhaltungsregionen in Ackerbauregionen transportiert werde. Notwendig seien Ausnahmen von Regelungen der Düngeverordnung für
Betriebe und Regionen, die keine problematischen Nitratemissionen verursachten, um so Anreize zur besseren Verteilung des vorhandenen Wirtschaftsdüngers zu schaffen.
Mehr Transparenz nötigZu Wochenbeginn hatte der agrarpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Spiering , mehr Transparenz im
Düngerecht gefordert. Ein Ziel der anstehenden Änderungen müsse sein, dass künftig alle betroffenen Behörden, von den Bereichen Düngung und Wasser bis Kataster und Bauen, über Bundesländergrenzen hinweg automatisch und digital ihre Daten miteinander abgleichen sollten. Dies sei bisher nicht der Fall.
„Es kann nicht länger sein, dass alle Behörden fleißig die relevanten Daten nach Brüssel übermitteln, aber bei uns die linke Hand nicht weiß, was die andere Hand tut“, kritisierte Spiering. Erst wenn alle Daten bei allen verfügbar seien, könne im Einzelnen bestimmt werden, „wie man vor Ort die Nitratbelastung reduzieren kann“. Dies stärke die Glaubwürdigkeit gegenüber der Europäischen Kommission und könne „die Wertschätzung für rechtschaffende Landwirte“ wieder wachsen lassen.
Die geforderte Anpassung der Düngeverordnung muss dem SPD-Politiker zufolge auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse erfolgen. Die gebotenen Neuregelungen reichten von einer Meldepflicht der Betriebe bis zu einem „realistischen und ehrlichen Düngebedarf je nach Kultur und natürlicher örtlicher Beschaffenheit“. Dabei dürfe Grünland nicht als „Gülleentsorgungsstätte“ missbraucht werden.
Zudem müsse es für Regionen mit einem niedrigen Viehbesatz attraktiver werden, statt mineralischen organischen Dünger aufzunehmen. Voraussetzung dafür sei, dass auch der Handel mit
Mineraldünger in der Bilanzierung erfasst und kontrolliert werde. Dies sei mit einfachen digitalen Angeboten leicht zu organisieren.