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18.08.2018 | 07:49 | Sesampreise 

Türkei von Sesam-Krise heimgesucht

Istanbul - Die Armen essen ihn, die Reichen essen ihn, die Touristen essen ihn, mit Käse, Olivenpaste oder Nutella. Er steht bei vielen Mahlzeiten auf dem Tisch und ist an jeder türkischen Straßenecke zu haben.

Sesam
Ein kleines Korn macht der Türkei gerade große Sorgen. Noch schlimmer: Es betrifft ein Lieblingsgebäck von Türken und Touristen. Das Land erlebt eine Sesam-Krise. Wieso? (c) proplanta
Sogar in Deutschland mit seinen rund 3,5 Millionen türkischstämmigen Menschen kann man ihn, als quasi eingemeindete Backware, auf Märkten kaufen. Aber nun steckt der türkische Sesamkringel, der Simit, in der Krise: Die Sesampreise steigen seit Monaten. Und der besorgte Chef der Kleinhändlerkammer für Sesamkringel, Ahmet Yalcin, droht mit weniger Simit.

Im vergangenen Jahr lag das Kilo Sesam noch bei um die acht Lira (rund 1,25 Euro), sagen Bäcker - heute koste es mehr als 12 Lira. Kammerchef Yalcin sagt, die Sesamkringel-Preise wolle man nicht - nochmals - erhöhen, der einzige andere Weg sei also, die Produktion zu senken. «Statt zehn Kringel verkaufen wir eben nur drei und mehr Waren ohne Sesam.»

Ob und wann das tatsächlich eintritt, ist unklar, aber die Versorgung mit Sesamkringeln ist ein Politikum in der Türkei. Die Simit sind nicht nur Grundnahrungsmittel, sondern auch ein Stück Identität. «Es ist eine Tragödie», sagt Yalin Eryilmaz bedrückt. Eryilmaz hat eine Bäckerei im Istanbuler Viertel Tophane. Seinen Ofen gebe es schon 130 Jahre, sagt er - aber wer weiß, wie lange noch, denn zurzeit schreibt Eryilmaz immer wieder rote Zahlen.

Noch vor zwei Jahren habe er am Tag 22.000 Stücke Backwaren hergestellt, heute seien es nur noch 4.000. Die Simit-Krise habe großen Anteil daran. Firmen, die Mitarbeitern zum Frühstück früher einen Simit anboten, hätten ihre Bestellung abgesagt, weil ihnen die allmorgendliche Lieferung zu teuer wurde. «Das waren immer gleich Hunderte Simit pro Tag weniger», sagt Eryilmaz.

Immer wieder ist der Simit-Preis in den letzten zwei Jahren gestiegen - von einer Lira auf 1,25, dann auf 1,40. Anfang 2018 war er dann bei 1,50 Lira (etwa 24 Cent). Das hatte unterschiedliche Gründe. Dass nun auch noch der Sesam teurer geworden ist, war nur der letzte Streich.

Zum einen ist der teurere Kringel ein kleines Symptom für ein großes Problem. Das Wirtschaftswachstum in der Türkei wirkte mit 7,4 Prozent 2017 vielversprechend - aber das ist nur eine Facette der Situation. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Inflation massiv, das Vertrauen in die Türkei unter einem zunehmend mächtigen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan schwach.

Zuletzt reagierten Investoren verunsichert wegen des eskalierenden Streits zwischen den USA und der Türkei um die Inhaftierung eines US-Pastors in der Türkei. Die Lira stürzte gar auf ein historisches Tief. Gegenüber dem Euro und dem Dollar hat sie seit Januar mehr als 40 Prozent an Wert verloren.

Die Börsen macht das nervös. Obendrein verdoppelte Trump am Freitag die Strafzölle gegen die Türkei. Erdogan machte derweil den Westen für den Lira-Verfall verantwortlich und rief die Bevölkerung auf, Dollar und Euro in die Landeswährung zu tauschen.

Und dann sind da türkische Sesam-Markt-Strategien, einige nennen sie auch Verschwörungstheorien. Kleinhändlerkammer-Chef Yalcin schimpft, die Großhändler, die er «Sesambarone» nennt, horteten den Sesam, um ihn teurer zu machen. Die «Sesambarone» verwahren sich allerdings gegen die Vorwürfe.

Ein Händler, der namentlich nicht genannt werden will, weil das Thema so emotional sei, führt die hohen Preise wiederum auf den Dollar-Kurs zurück, denn weil Sesam in der Türkei kaum angebaut wird, muss er aus dem Ausland, zum Beispiel aus Indien oder Afghanistan, teuer importiert werden.

«Sesam als Rohstoff ist nicht viel teurer geworden, aber der Dollar ist gestiegen», sagte er. Früher habe er einen 25-Kilo-Sack für umgerechnet um die 200 Lira gekauft - jetzt koste er mehr als 300. Eine Konsequenz sei, dass die Nachfrage stark gesunken sei. Ob das auch weniger Simit bedeutet, werden die kommenden Wochen zeigen.
dpa
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