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10.08.2013 | 17:39 | Bergwerk von K+S 

K+S-Kaliabbau unter Tage

Philippsthal - K+S macht gerade die wohl schwerste Krise der Unternehmensgeschichte durch. Der Konkurrenzkampf auf dem sensiblen Düngemittelmarkt ist gnadenlos - und es gibt weitere Baustellen. Kali-Standorte wie der im hessischen Philippsthal könnten auf dem Spiel stehen. Ein Besuch unter Tage.

Kali-Dünger
(c) proplanta
Metallenes Klappern, das Gitter schließt. Dann wird es dunkel - es geht abwärts, Zugluft wirbelt um die Haare unter dem Helm. In nicht einmal einer Minute fährt der Fahrstuhl in 750 Meter Tiefe. Unten im Bergwerk angekommen offenbart sich eine Stadt: Es gibt Büros, Straßen, Autos, Werkstätten - nur das Tageslicht fehlt.

Das Gebiet des K+S-Werks Werra im osthessischen Philippsthal liegt bis zu 1.200 Meter unter der Erde. «Es ist unter Tage etwa so groß wie der innere Autobahnring um München», sagt Jörg Lohrbach. Assistent des Leiters der Grube Hattorf/Wintershall. Abgebaut wird unter anderem Kalium, neben Stickstoff und Phosphor einer der wichtigsten Nährstoffe zur Düngung von Pflanzen.

Seit mehr als 100 Jahren wird hier Bergbau betrieben. «Das ist sehr traditionsreich», sagt der 50 Jahre alte Lohrbach stolz. Die rund 30 Kilometer lange Fahrstrecke von einem zum anderen Ende dauert etwa 45 Minuten. 2.100 Menschen arbeiten hier insgesamt, 300 Autos fahren herum, insgesamt gibt es 1.100 Fahrzeuge - eine kleine Stadt. Inklusive Fabrik über Tage sind im Werk rund 4.400 Menschen beschäftigt. Etwa 25 Millionen Tonnen Rohsalz werden hier pro Jahr gefördert.

K+S gehört zu den weltweit größten Kali-Produzenten, der Kaliabbau ist die wichtigste Säule des Dax-Konzerns. 2012 setzten die Kasseler mit 14.400 Mitarbeitern insgesamt knapp vier Milliarden Euro um, davon rund 58 Prozent mit Kali- und Magnesiumprodukten. Doch nach Aussagen eines Wettbewerbers zu möglicherweise sinkenden Kali-Preisen ist die Kali-Welt erschüttert. Vor allem wegen unterschiedlicher Lagerstätten sowie Umweltschutzprojekten und -auflagen ist die Kaliproduktion bei K+S teurer als bei vielen Konkurrenten.

Sinkt der Kali-Preis, verdient K+S weniger. Die Ergebnisprognose kassierte das Unternehmen bereits, die K+S-Aktie geriet in den vergangenen Tagen massiv unter Druck. Das Papier brach zeitweise um mehr als 40 Prozent auf unter 16,00 Euro ein. Damit könnte K+S zu einem Übernahmekandidaten werden. Die Folge: unrentable Werke könnten geschlossen werden und Arbeitsplätze verloren gehen.

Unten im Dunkeln gibt es «Ortsschilder», eine Anschnallpflicht und sogar eine Blitzerkolonne, die die Geschwindigkeit - meist zwischen 30 und 50 Stundenkilometer - kontrolliert und zu schnelles Fahren ahndet. «Die Sicherheit unserer Mitarbeiter ist uns besonders wichtig», sagt Lohrbach.

Die Straße besteht aus angefeuchtetem und verdichtetem Salz. Riesige Ventilatoren sorgen für einen ständigen Luftaustausch unter Tage. Sie ziehen rund 63.000 Kubikmeter Luft, das ist so viel wie in 20 olympische Schwimmbecken passt - pro Minute.

Und so funktioniert der Kali-Abbau: Nach einem bestimmten Plan werden mehrere Löcher ins Gestein gebohrt. Dort wird zum Ende der Schicht Sprengstoff zur Explosion gebracht. Die nächste Schicht bringt das abgesprengte Gestein mit Radladern auf Förderbänder in die Fabrik, wo es aufbereitet wird. Ein sogenannter Berauber reibt zur Sicherheit noch loses Material von Wänden und Decken. Sowohl bei der Einfahrt in das Bergwerk als auch im Abbaugebiet wird genau kontrolliert, wer sich dort aufhält. «Gesprengt wird erst, wenn alle draußen sind», sagt Lohrbach.

Weil nur bis Samstagmittag abgebaut wird, die Fabrik über Tage aber an sieben Tagen pro Woche produziert, gibt es unter Tage einen riesigen Lagerbunker. Dort schaufelt am Wochenende einer der größten Radlader der Welt - die Räder sind mehr als zwei Meter hoch und auf die Schaufel passen rund 30 Tonnen - das Rohsalz in Richtung Förderbänder.

«Das ist nicht vergleichbar mit anderen Jobs. Was wir hier abbauen, ist wichtig für die ganze Welt», sagt Sprenglochbohrer Alexander Euler.

Kalidüngemittel trügen dazu bei, dem wachsenden Nahrungsbedarf in der Welt Rechnung zu tragen. Schon sein Urgroßvater und sein Großvater seien Bergmänner gewesen. «Ich bin durch die Familie reingerutscht. Das ist ein Beruf mit Tradition, er macht mir Spaß», sagt der 25-Jährige. Ablenkung aber gibt es nur selten, Handy oder Radio funktionieren unter Tage nicht. «Wir haben genug zu tun, da braucht niemand etwas zur Unterhaltung», sagt Euler. Er genieße auch die Einsamkeit in der Schicht.

Insgesamt sechs Kali-Bergwerke hat K+S in Hessen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen, drei davon gehören zum Werkverbund Werra. Insgesamt sind in Deutschland laut K+S rund 33.000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt mit der Kaliindustrie verbunden.

Um das Kali zu gewinnen, muss es aus dem Gestein gelöst werden. Dabei entsteht salzhaltiges Abwasser. Dieses wird von K+S entweder in die Werra gepumpt oder in den Untergrund gepresst - derzeit jeweils rund fünf Millionen Kubikmeter pro Jahr.

Sprenglochbohrer Euler wohnt in Heringen unweit der Werra und bekommt den Widerstand gegen die Salzabwassereinleitung in den Fluss mit. «Die Jobs sind wichtig. Kali lässt sich ohne Rückstände nun mal nicht herstellen. Aber wir halten die Belastung für die Umwelt in Grenzen», betont er. Lohrbach ergänzt, der Zustand der Werra habe sich in den Jahren nach der Grenzöffnung deutlich verbessert.

Bis 2015 will K+S das Abwasser auf insgesamt sieben Millionen Kubikmeter jährlich reduziert haben - zum Beispiel durch eine zusätzliche trockene elektrostatische Aufbereitung. Dabei werden die Kali-Brocken zunächst zerkleinert und ohne Zugabe von Wasser vom Rest getrennt. «Das ist noch nicht so rein, dass es schon als Düngemittel verkauft werden könnte», sagt Dirk-Michael Ernst, Leiter des Technischen Projektmanagements der Anlage. Um die benötigte Reinheit zu erhalten, sei aber viel weniger Wasser nötig. Wenn die neue, 61 Millionen Euro teure Anlage Ende 2013 in Betrieb geht, können 3,5 Millionen Kubikmeter Abwasser pro Jahr eingespart werden.

Das reicht Werner Hartung jedoch nicht. Der parteilose Bürgermeister der Gemeinde Gerstungen in Thüringen sorgt sich um das Grundwasser. «Unser eigenes Trinkwasser ist gefährdet», sagt er. Er fordert von K+S neue Technologien, um das Abwasseraufkommen zu verringern. Bei fast einer Milliarde Gewinn sei das sicher möglich, meint er. Die Gemeinde hat schon mehrfach gegen die Erlaubnis von Salzabwasser-Entsorgungen geklagt, allerdings bislang erfolglos.

Nur wenige Kilometer entfernt und ebenfalls an der Werra liegt auf hessischer Seite Heringen - und da sieht man das ganz anders. «K+S ist ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor, viele sind da beschäftigt», sagt Bürgermeister Hans Ries. Ihm sei die Umweltbelastung bewusst, «aber wir haben auch die wirtschaftliche Existenz im Auge».

Insgesamt plant K+S für die Umweltschutzmaßnahmen Ausgaben von rund 360 Millionen Euro. «Wir prüfen alle Optionen, um die Produktion nicht zu gefährden. Aber null Emissionen sind nicht möglich», betont K+S-Sprecher Michael Wudonig.

«Es gibt Bedenken, dass wir hier eines Tages wegen der Entsorgungsfrage nicht mehr produzieren dürfen», sorgt sich Lohrbach. Dann ginge es der Werra sicher besser, aber Tausende Arbeitsplätze wären in Gefahr. Zuletzt ist wohl auch die Sorge vor einer Übernahme von K+S dazugekommen, auch in diesem Fall stünden Arbeitsplätze und sogar ganze Bergwerke auf dem Spiel. (dpa)
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