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06.11.2007 | 07:01

Warmer Winter, Müll und Geldnot sorgen für reichlich Rattennachwuchs

Oldenburg/Wilhelmshaven - Sie sind äußerst zäh, schlau und gefährlich - und von der Flöte eines Rattenfängers von Hameln lassen sie sich schon lange nicht mehr an der Nase herumführen.

Ratte
(c) Natalia Pavlova - fotolia.com
Ratten stehen neben dem weißen Hai ganz oben auf der Horrorliste der furchterregenden Tierarten. Nach dem warmen Winter war 2007 für die kleinen Nager in Deutschland wieder ein gutes Jahr - es gibt reichlich Nachwuchs, haben Experten festgestellt. «Das Trippeln und Trappeln hat deutlich zugenommen», sagt der Biologe Jona Freise aus dem niedersächsischen Oldenburg. «Auf dem Land und in den Städten ist der Tisch für die Tiere reichlich gedeckt.»

Das Überleben im Großstadtdschungel fällt Ratten besonders leicht. Seit Jahren tummeln sich die Schädlinge jedoch zunehmend und mit Vorliebe landauf landab, haben Fachleute beobachtet. Genaue Zahlen über die scheuen Tiere haben die Experten zwar nicht, aber sie stützen ihre Beobachtungen auf eigene Erfahrungen und die gestiegene Produktion von Rattengiften.

Der warme Winter gilt nur als eine von vielen Ursachen für denRatten-Boom: «Weil viele Kommunen sparen, fehlt häufig Geld für eine wirksame Rattenbekämpfung durch Experten», sagt der Bundesvorsitzende des Deutschen Schädlingsbekämpfer-Verband in Essen, Rainer Gsell. Wenn stattdessen Laien falsch präparierte Giftköder auslegten, könnten die Tiere dagegen resistent werden.

Daneben sorgt der Trend zum Fast-Food dafür, dass mehr Abfälle und Essensreste weggeworfen werden. «Wir bereiten ihnen das Paradies auf Erden», kritisiert Freise. «Wer wäscht heute noch den Müll, bevor dieser in den gelben Sack und auf die Straße kommt?» Der Experte für Schädlingsbekämpfung am Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves) in Oldenburg rät dazu, Häuser und Gebäude weitgehend abzudichten. Einen absoluten Schutz vor Schädlingen wie Ratten und Schaben gebe es jedoch nicht. Selbst Türen und Wände bremsen den Heißhunger der Tiere nicht. Mit Zähnen härter als Stahl beißen sie sich sogar durch Eisenwände und Beton.

Doch in der Regel bleiben die Ratten unerkannt. Nur wer genau hinsieht, kann Biss-, Kot- oder Fußspuren erkennen. An ihren eigentlichen Tummelplätzen bleibt der Mensch meist außen vor. Die Unterwelt der Kanalisation gilt als «Autobahn der Ratten».

Gelegentlich dringen die Tiere von dort wie Kaminkletterer mehrere Etagen bis zur häuslichen Toilettenschüssel vor. «Das kann bei Hausbewohnern durchaus traumatische Erlebnissen auslösen», weiß der Schädlingsbekämpfer Michael Römer aus dem niedersächsischen Wilhelmshaven. Für derartige Fälle empfiehlt Römer «Durchspülen und Sperren einbauen.»

Die Hauptgefahr bei Ratten sehen die Schädlingsbekämpfer in der Übertragung zahlreicher Krankheiten wie der Leptospirose. Als Folge einer Infektion können Menschen schwer erkranken und sterben - Kanalarbeiter sind besonders gefährdet. Auch die Landwirtschaft ist betroffen. In Schweinezuchtbetrieben steigt die Sterblichkeit bei Ferkeln. Neben anderen Krankheiten zieht zudem die Maul- und Klauenseuche mit den Wanderraten von Hof zu Hof.

Der «Ekelfaktor» bei dem Schmuddelthema ist hoch. Kommunen machen ungern öffentlich, wenn es zu Rattenplagen kommt. «Wenn am falschen Ende bei der Vorsorge gespart wird, kann es teuer werden», weiß Freise, der Kommunen berät und auf breiter Front über Schädlinge aufklärt. Falls eine große Bekämpfungsaktion über mehrere Monate fällig wird, können schon mal 100.000 bis 200.000 Euro fällig werden. Besonders Kurorte sind daher auf der Hut: Neben ihrem guten Ruf steht auch ihre Anerkennung als Erholungsstandort auf dem Spiel.

Im Kampf gegen die Ratten hat heute der einstige Kammerjäger ausgedient. Hoch spezialisierte Schädlingsbekämpfer machen den misstrauischen Tieren mit raffinierten Mitteln den Garaus. Damit die Tiere nicht gleich tot umfallen und ihren Artgenossen damit eine Warnung sind, stecken in den Giftködern Blutgerinnungsmittel. Die Vierbeiner verenden langsam. «Tierschützer sind nicht begeistert, aber anders geht es nicht», sagt Freise. Völlig rattenfrei lasse sich jedoch kein Gebiet machen. «Jeder kann sie kriegen, keiner kann es verhindern - wir kriegen sie nie ganz weg.» (dpa)
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