Nachstehend dazu ein Interview mit dem wissenschaftlichen Fachberater der Dokumentation, dem Klimaforscher Professor Dr. Mojib Latif vom Kieler Institut für Meereswissenschaften, IFM Geomar. Das Interview führte Jens Monath.
Frage: In welchem Stadium des Klimawandels befinden wir uns heute?
Prof. Dr. Mojib Latif: Unser derzeitiges Verhalten entspricht dem "worst case" also dem schlimmsten Fall, den der UNO-Klimarat bisher berechnet hat. Das würde eine der größten Katastrophen in der Menschheitsgeschichte bedeuten. Wir werden die Entwicklung jetzt mitbekommen, aber unsere Kinder und vor allem unsere Enkelkinder, die werden das auszubaden haben.
Frage: Was bedeutet der Klimawandel konkret für uns Menschen?
Prof. Dr. Mojib Latif: Der globale Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen, die wir Menschen erleben werden, wenn er sich wirklich so ungebremst weiter vollzieht. Klimawandel heißt nicht, dass wir einfach länger in Straßencafés sitzen, sondern Klimawandel heißt, dass es sintflutartige Niederschläge geben wird, die wir bisher so nicht gekannt haben, dass der
Meeresspiegel langfristig um mehrere Meter steigen kann. Das sind Ereignisse, die sind eigentlich so nicht mehr beherrschbar.
Frage: Warum wird es in Zukunft immer öfter zu extremen Überflutungen kommen, auch in Städten wie Köln?
Prof. Dr. Mojib Latif: In Folge der globalen Erwärmung wird es einerseits zu einem Anstieg des Meeresspiegels, auf der anderen Seite zu einer Zunahme extremer Niederschläge kommen. Beides wird dazu führen, dass wir sehr viel häufiger mit Überschwemmungskatastrophen zu rechnen haben, denn insbesondere die Starkniederschläge können dann von den Flüssen nicht mehr aufgenommen werden, und dann muss es einfach zu
Überschwemmungen kommen, die dann Millionen von Menschen betreffen.
Frage: Mit welchen Katastrophen und gesundheitlichen Auswirkungen haben wir in Folge von Überschwemmungen zu rechnen?
Prof. Dr. Mojib Latif: Auch die Trinkwasserversorgung kann durch die globale Erwärmung deutlich beeinträchtigt werden. Stellen wir uns eine Sturmflut an den Küsten vor, da kann es zur Infiltration des Trinkwassers mit Salzwasser kommen. Stellen wir uns Ballungsräume im Landesinneren vor, wo es sehr viel Industrie, insbesondere chemische Industrie gibt: Auch dort können dann diese Chemikalien das Trinkwasser bei Überschwemmungen vergiften.
Frage: Sie prophezeien der Menschheit den "geordneten Rückzug" aus bestimmten Regionen. Wie kann man sich das vorstellen?
Prof. Dr. Mojib Latif: Wenn wir wegen der Trägheit des Klimas nicht in den nächsten Jahrzehnten wirklich deutliche Fortschritte beim
Klimaschutz erzielen, dann bleibt uns nichts weiter übrig, als den geordneten Rückzug einzuleiten. Das heißt auf der einen Seite, entweder wegziehen, ganz aus den Küstenregionen heraus, ins Landesinnere. Oder aber die Region, insbesondere die Metropolen komplett umzubauen. Flüsse, die man begradigt hat, praktisch wieder zurückzubauen. Und dass man auch riesige Überlaufregionen schafft, damit eben das Wasser, wenn es zu
Hochwasser kommt, nicht direkt in die Megacitys kommt.
Frage: Sie sprechen oft von gefühltem Klimaschutz. Was meinen Sie damit?
Prof. Dr. Mojib Latif: Wenn man sich ansieht, was denn tatsächlich passiert in Sachen Klimaschutz, dann stellen wir fest, dass überhaupt nichts passiert, dass eigentlich genau das Gegenteil passiert, dass wir immer mehr
CO2 in die Atmosphäre entlassen und dass es deswegen eigentlich nur viel Wind gibt, der sozusagen dann, wie bei der Temperatur, zu einem gefühlten Klimaschutz führt. (ots)