Im Jahr der globalen
Wirtschaftskrise hungern weltweit mehr als eine Milliarde Menschen, also jeder siebte. Es droht sogar ein «Hunger-Jahrhundert», wie die Welthungerhilfe-Präsidentin Barbara Dieckmann befürchtet. Allein 200 Millionen Kinder sind unterernährt. Auf ihrem Welternährungsgipfel von diesem Montag bis Mittwoch will die in Rom ansässige UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) für eine Offensive gegen den Hunger trommeln. So wie Jahr für Jahr. Neu ist, dass Prominente fasten und so für rasches Handeln werben.
FAO-Chef Jacques Diouf nennt als einen der Gründe, warum nun dringend etwas getan werden muss: «Die schleichende Hungerkrise stellt eine ernsthafte Gefahr für den Weltfrieden und für die Sicherheit dar.» Mehr als 60 anreisende Staats- und Regierungschefs garantierten aber nicht, dass der «Gipfel des leeren Tellers» nicht eine Seifenblase bleibt, wie die katholische italienische Tageszeitung «L'Avvenire» bemängelte. Ihre Kritik: In dem Entwurf für das Schlussdokument fehlten konkrete Hilfszusagen. Und vor allem der Westen schickt nicht die erste Garnitur - also keinen Barack
Obama, keine Bundeskanzlerin, kein Staatschef Nicolas Sarkozy aus Paris.
Gesucht wird dennoch ein «breiter Konsens» der Welt, um den Kampf gegen den Hunger trotz leerer Kassen in Zeiten wirtschaftlicher Krisen vielleicht doch nicht zu verlieren. Diouf fordert von den 192 FAO-Mitgliedsstaaten mehr als mitfühlende Worte über arme Kinder, die hungrig schlafen gehen: «Wir brauchen von den Regierungen jährlich etwa 44 Milliarden Dollar (29,5 Milliarden Euro), um den Hunger mit einer höheren Agrarproduktion und einer angekurbelten Landwirtschaft in der Dritten Welt auszurotten.» Das will Diouf nun den Staats- und Regierungschefs sowie deren Fachministern einhämmern. Ob er nach dem Ende der Konferenz am 18. November eine positive Bilanz ziehen kann? «Hunger Summit», Hunger-Gipfel, so nennt die
FAO das, was ihr senegalesischer Generaldirektor einberuft. Es geht als erstes darum, den Dutzenden bitterarmen Ländern unter die Arme zu greifen, die kein Geld für Nahrungsimporte haben: Trotz einer guten Weltgetreideernte 2009 bleiben die Preise für sie viel zu hoch.
«In Ostafrika ist die Lage jetzt besonders kritisch, denn wegen der Dürre und der Konflikte brauchen etwa 20 Millionen Menschen dringend etwas zu essen», so hält die FAO fest. Dort ist Hilfe wichtig, gefragt sind daneben aber vor allem langfristigere Strategien, die etwa den Millionen Kleinbauern wieder eine Überlebensperspektive geben: «Die Krise der
Welternährung ist deshalb so tief, weil über zwei Jahrzehnte hinweg zu wenig in die Landwirtschaft gesteckt worden ist, der Sektor wurde vernachlässigt.» Diouf sucht nun auch andere Wege, die Bewusstsein schaffen und vielleicht auch Druck auf zögernde Geldgeber ausüben sollen: Er hatte dazu aufgerufen, am Wochenende vor der Welternährungskonferenz einen Tag lang zu fasten, nennt das Hunger-Streik und machte selbst gleich mit - wie auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und Roms Bürgermeister Gianni Alemanno. Außerdem warb der Senegalese dafür, im Internet die Online-Petition «I agree» (www.1billionhungry.org) anzuklicken.
So soll jeder manifestieren, dass er eine hungernde Welt unerträglich findet. Der FAO-Chef hofft darauf, dass eine Milliarde - der Zahl der Hungernden entsprechend - teilnehmen und damit etwas bewegen können. Doch beileibe nicht jeder, der am Montag zur Eröffnung feierlich reden wird, dürfte mit an dem Strang ziehen. Sicher, Papst Benedikt XVI., der dieses Jahr persönlich zur Konferenz kommt, nutzt jede Gelegenheit, die Hungersnöte anzuprangern. Andere Staatschefs, wie etwa Präsident Robert Mugabe aus Simbabwe, sehen den FAO-Gipfel aber gern als ihre politische Plattform in Europa. Auch Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi aus Libyen reist einmal mehr an den Tiber, auch um am Rand des Gipfels Roms Regierungschef Silvio Berlusconi zu treffen.
Berlin schickt
Agrarministerin Ilse
Aigner (CSU) nach Rom. Auch die internationale Bauernbewegung «La Via Campesina» hat kritisiert, dass offensichtlich aus der G8-Gruppe der führenden Industriestaaten keine Staatschefs zum «Hunger-Gipfel» kommen wollten. Mehrfach hatte Diouf den mangelnden politischen Willen im Kampf gegen Unterernährung angeprangert, doch bleibt er optimistisch: «Wir können es schaffen.»