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26.03.2010 | 04:00 | Biodiversitätsforschung 

Wie muss eine Landschaft mit funktionierenden Ökosystemdienstleistungen aussehen?

Leipzig - Dass Landwirte, Bevölkerung und Artenvielfalt von einer vielfältigen Landschaft profitieren können, zeigen die Ergebnisse des BIOLOG Forschungsprogramms, das nach zehn Jahren Laufzeit abgeschlossen ist.

Wie muss eine Landschaft mit funktionierenden Ökosystemdienstleistungen aussehen?
Selbst bei konventionell bewirtschafteten Ackerflächen führen naturnahe Lebensräume im Umfeld, wie Ackerrandstreifen, zu einer deutlich verstärkten Humusbildung, effektiverer Bestäubung und geringerem Druck durch Schadinsekten. Außerdem gewinnt die Landschaft an Attraktivität. Wie Landnutzer von Konzepten weniger intensiver Bewirtschaftung überzeugt werden können und wie viel der Bevölkerung Ökosystemdienstleistungen finanziell wert sind, waren weitere Fragen des Forschungsprogramms, das am 29./30. März in Berlin vorgestellt wird.

Der Politik Handlungsoptionen im Umgang mit der biologischen Vielfalt aufzuzeigen, das ist das oberste Ziel des BIOLOG Forschungsprogramms, das vom BMBF initiiert und finanziert seit 2000 die Entwicklung der Biodiversität unter dem Einfluss des globalen Wandels und des Nutzungsdrucks untersucht hat. Wie eine Agrarlandschaft aus Sicht der Biodiversitätsforschung sinnvollgestaltet werden sollte, wurde unter anderem von der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Georg-August-Universität Göttingen im Rahmen des Verbundprojekts BIOPLEX untersucht. Maßstab waren die so genannten Ökosystemdienstleistungen wie Humusbildung, die durch Bodenorganismen, sowie Bestäubung und Schädlingsbekämpfung, die durch Nutzinsekten wie Bienen, Schmetterlinge und Laufkäfer erbracht werden. Die Aktivitätsdichte von Bodenorganismen war im Ökolandbau doppelt so hoch wie im konventionellen Landbau. Überraschend aber war, dass das Umfeld des Ackers eine erhebliche Rolle spielte. So wurde die höchste Aktivitätsrate bei konventionell bewirtschafteten Flächen neben extensiv bewirtschaftetem Grünland gemessen. Auch der Obstbau profitiert von naturnahen Flächen in der Umgebung. Viele Wildbienenarten nisten in abgestorbenen Gehölzen oder den hohlen Stengeln krautiger Pflanzen. Die Wildbienen spielen eine wichtige Rolle bei der Bestäubung der Blüten von Obstgehölzen, und Obstbäume in Gebieten mit vielen Nistgelegenheiten erbrachten deutlich höhere Erträge und Qualität. Die Wissenschaftler raten Behörden und Landnutzern zu mehr naturnahen Flächen und Ackerrandstreifen. 20 Prozent naturnahe Räume in der Kulturlandschaft Deutschlands könnten die Leistungsfähigkeit der o.g. Ökosysteme signifikant erhöhen.

Wie Landwirte von den Vorteilen solcher Naturschutzmaßnahmen überzeugt werden können, zeigt ein Versuch der Göttinger Forscher im niedersächsischen Northeim. Bisher legen die Behörden im Vertragsnaturschutz die Entschädigungssumme für extensiv bewirtschaftete Flächen fest. Bezahlt werden dabei die Maßnahmen, nicht der Erfolg. Das Problem: Der ökologische Effekt der Investition wird nicht ausreichend überprüft, und das unternehmerische Potenzial der Landwirte für den Naturschutz wird nicht ausgeschöpft. Ganz anders im Ansatz der Göttinger Agrarökonomen. In einem Bieterverfahren konnten Landwirte selbst einen eigenen Preis für die Behörden für die Vermehrung der Pflanzenvielfalt vorschlagen. Der Unternehmer mit dem besten Angebot erhielt den Zuschlag. Voll bezahlt wurde nur, wenn das gesetzte Ziel, die Anwesenheit bestimmter Arten, auch erreicht wurde. Dieses Modell stieß bei den Unternehmen auf deutlich höhere Akzeptanz als bisherige Regelungen.

Dass auch die Bevölkerung den Wert von Ökosystemdienstleistungen erkannt hat, beweist eine Studie der Universität Jena im Unterprojekt DIVA. Bei einer Befragung in Thüringen wurde die Zahlungsbereitschaft für bestimmte Dienstleistungen im Grünland an die öffentliche Hand ermittelt. Die höchste Summe wurde für die Grundwassererzeugung durch filternde Organismen mit durchschnittlich 66 Euro genannt. 55 Euro würden die Befragten im Schnitt für kulturelle und ästhetische Aspekte bezahlen, jedoch nur 38 Euro für die Pufferleistung erhöhter Artenvielfalt in Wiesen gegenüber Einflüssen des Klimawandels wie Trockenheit. Im selben Unterprojekt konnte zuvor die so genannte Versicherungshypothese, dass eine größere Vielfalt die Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen gegen Störungen wie bspw. Trockenstress erhöht, bestätigt werden.

Alle weiteren Ergebnisse des BIOLOG-Programmes und die entsprechenden Handlungsoptionen für die Praxis sind in einer übersichtlichen Broschüre zusammengefasst. Sie steht zum Download bereit. (ufz)
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