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23.10.2012 | 15:02 | Winterzeit 

Zeitumstellung verschärft Situation bei Wildunfällen

Frankfurt - Die Tage werden kürzer, die Zeitumstellung in einer Woche wird den Berufsverkehr um eine Stunde weiter in die Dunkelheit verschieben.

Zeitumstellung
(c) proplanta
Dann sollten Pendler besonders vorsichtig sein, in der Dämmerung sind nämlich auch die Wildtiere unterwegs. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der überfahrenen Wildschweine in Hessen verzehnfacht.

Nach Angaben des Landesjagdverbandes registrierte die Polizei vor einem Jahrzehnt noch 218 Wildschweine, die auf den Straßen Hessens ums Leben kamen. Im jüngsten Jagdjahr 2011/12 waren es dagegen mehr als 2.000.

«Es ist unschwer vorherzusagen, dass es auch in diesem Herbst und Winter wieder mehr Unfälle mit Schwarzwild geben wird», warnte Hessens Verbandssprecher Klaus Röther am Montag.

Im Vergleich zum Jagdjahr 2010/11 sei die Zahl der im Verkehr getöteten Wildschweine zwar ebenso deutlich zurückgegangen wie die Zahl der bei der Jagd erlegten Tiere. Der Bestand der Borstentiere schwanke je nach Lebensbedingungen - 2010/11 habe es deutlich mehr Bucheckern und Eicheln gegeben als in den vergangenen Monaten.

Insgesamt steigt aber die Zahl der Wildschweine in den hessischen Wäldern drastisch. Wurden vor 30 Jahren erst 6.000 Tiere jährlich von Jägern erlegt, waren es zur Jahrtausendwende bereits 31.000 und im vergangenen Jahr 41.000.

Ein Jahr zuvor waren es sogar fast 62.000 Stück. «Es gab da für die Tiere Nahrung in Hülle und Fülle», erklärt Röther. «Die Bachen hatten teils zweimal im Jahr einen Wurf von jeweils bis zu zwölf Jungen.»

Neben der Erntezeit, wenn die Tiere von den Mähdreschern in den Feldern aufgescheucht werden, gilt der Herbst als gefährliche Zeit für Wildschweine - und für Autofahrer. «Um diese Zeit kommt es jedes Jahr vermehrt zu Wildunfällen», sagt Wolfgang Jungnitsch vom Polizeipräsidium Kassel.

Für die Ausbreitung der Wildschweine nennen Verband und Landwirtschaftsministerium mehrere Gründe: Der einzige natürliche Feind der Tiere ist der strenge Frost, und in den vergangenen Wintern blieb er meist aus. So hätten die meisten Jungtiere die kalte Jahreszeit überlebt, sagt Rolf Becker, Naturschutzreferent des Landesjagdverband.

Außerdem bauen Landwirte immer mehr Mais an, etwa für die Biogasproduktion - die Felder sind ein gefundenes Fressen für Wildschweine, die Mais besonders gerne mögen. Er wirke «wie ein Magnet auf die anpassungsfähigen Allesfresser», heißt es beim Jagdverband.

Hinzu kommt, dass im Herbst und nach der Ernte Mais- und Rapsfelder, die den Tieren während der vergangenen Monate nicht nur Nahrung im Überfluss, sondern auch ideale Verstecke boten, fast über Nacht verschwunden sind.

Nun streift das Wild planlos auf der Suche nach Futter und Deckung umher. Wildschweine wandern kilometerweit in einer Nacht.

Im Kampf gegen die übermäßige Vermehrung müssten Jäger aber vorsichtig sein, warnen die Jäger. Zu viel Wild zu schießen, kann sich nach Ansicht Beckers auch gegenteilig auswirken: «Auf starke Verluste reagieren Tiere mit erhöhter Reproduktion - das ist ein Naturgesetz.»

Nach Angaben des hessischen Umweltministeriums kamen in der vergangenen Jagdsaison (1. April 2011 bis 31. März 2012) nicht nur Wildschweine unter die Räder. Es wurden auch 10.458 Rehe und 238 Hirsche überfahren - außerdem tausende kleinere Tiere wie Hasen, Kaninchen oder Füchse.

Auch für Autofahrer können die Kollisionen ein böses Ende haben: 2011 wurden nach Angaben des ADAC bei Wildunfällen bundesweit 20 Menschen getötet und mehr als 2.600 verletzt.

Es gibt etliche Versuche, Wildunfälle zu verhindern: Metallzäune, Reflektoren und Duftzäune mit abschreckenden Gerüchen sollen die Tiere von den Straßen fernhalten.

«So richtig durchschlagende Erfolge gab es nicht», sagt Andreas Hölzel, Pressesprecher des ADAC. Denn an der durchschnittlichen Zahl von 250.000 Zusammenstößen mit Waldtieren in Deutschland änderten diese Maßnahmen nur wenig.

Zudem räumt Jäger Röther ein: «Wenn eine Rotte erstmal eine Richtung einschlägt, bleibt sie stur auf Kurs und lässt sich auch durch Straßen nicht aufhalten.» (dpa/lhe)
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