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18.12.2008 | 14:15 | Agrarpolitik 

EU-Agrarrat dürfte Chlor-Behandlung von Geflügelfleisch ablehnen

Brüssel - Zwei Entscheidungen im Landwirtschaftssektor stehen beim EU-Agrarministerrat heute in Brüssel an.

EU-Agrarrat dürfte Chlor-Behandlung von Geflügelfleisch ablehnen
Zum einen werden die Minister aller Voraussicht nach einen Vorschlag der EU-Kommission zurückweisen, in dessen Folge die Desinfektion von Geflügelfleisch im Chlorbad erlaubt werden soll. Zum anderen werden die Minister eine Ratserklärung zum Import von Agrarerzeugnissen verabschieden. Ein wichtiges Thema ist zudem das Grünbuch zur Qualität von Agrarerzeugnissen, über das eine Orientierungsaussprache erfolgen soll.Unter dem Tagesordnungspunkt "Verschiedenes" möchte Irland zusätzlich die Auswirkungen der Dioxinfunde auf den Schweinefleischmarkt ansprechen. Polen will wiederum anregen, mit nicht ausgeschöpften Mitteln aus dem EU-Agrarhaushalt Landwirte für mögliche Folgen aus der Wirtschaftskrise zu entschädigen.
 

Chlorbad-Zulassung würde Paradigmenwechsel in der EU bedeuten
 
Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, das Chlorbad in der EU zur Desinfektion von Geflügelfleisch zuzulassen, nachdem die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) grünes Licht gegeben hatte. Andere vermuten Druck aus den USA hinter diesem Vorschlag. Die Amerikaner betrachten das Chlorverbot in der EU als verstecktes Handelshemmnis. Wie dem auch sei, die EU-Mitgliedstaaten sind sich einig, das Anliegen der Kommission zurückzuweisen. Bereits im zuständigen Regelungsausschuss holte sich die Kommission eine Abfuhr für ihren Vorschlag. Sollte auch im EU-Agrarministerrat - wie erwartet - eine qualifizierte Mehrheit gegen den Kommissionstext zustande kommen, ist dieser endgültig vom Tisch. Die Agrarminister argumentieren, in der EU würden Salmonellen durch aufwendige Haltungsformen vermieden. Am vorbeugenden Ansatz wollen sie nichts ändern und schon gar nicht in Form des umstrittenen Chlorbades.
 
Auch Österreich lehnt den Vorschlag der Kommission, eine Dekontamination zur Reduktion möglicher pathogener Keime mit anderen Stoffen als Wasser am Ende der Produktionskette zuzulassen, entschieden ab. Dies würde einen Paradigmenwechsel in der Lebensmittel-Sicherheitspolitik der Gemeinschaft bedeuten und dem Verbrauchervertrauen entgegenlaufen, betont das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW).
 
Schlussfolgerungen zu Gefahren durch Agrarimporte aus Drittstaaten
 
Die französische Ratspräsidentschaft warnt außerdem in Schlussfolgerungen vor Gefahren durch zunehmende Lebensmittelimporte im Zuge der Globalisierung. Durch die Einfuhren steige das Risiko der Einschleppung von Seuchen und Pflanzenkrankheiten, heißt es in einem Entwurf für eine Ratserklärung. Zum anderen würden bei den Einfuhren nicht immer die gleichen Qualitätsstandards wie bei der europäischen Herstellung garantiert. Der Ministerrat wünsche sich deshalb bis 2010 einen Bericht von der EU-Kommission über die Wirksamkeit der Grenzkontrollen für Nahrungsmittel. Zudem soll die Kommission dazu veranlasst werden, die Standards der EU möglichst auch in den internationalen Organisationen, wie der WTO oder dem internationalen Tierseuchenamt (OIE), zu verankern.
 
Die EU wird ferner ersucht, in Drittländern zu helfen, damit dort die Auflagen an die Lebensmittelsicherheit und die Qualitätsstandards eingehalten werden. Auch ist geplant, dortige Schwachpunkte zu ermitteln. Weiters soll der Schmuggel von Lebensmitteln unter die Lupe genommen werden. Zusätzlich wäre es laut den Franzosen entscheidend, dass die Kommission klärt, welche Auswirkungen die unterschiedlichen Anforderungen in der EU und in Drittländern auf die europäische Landwirtschaft haben. Zusammengefasst sind all diese Punkte in den Schlussfolgerungen der Präsidentschaft, die beim Rat angenommen werden sollen.
 

Grünbuch zur Qualität der Agrarerzeugnisse
 
Außerdem wird Frankreich über die Arbeiten zum Grünbuch betreffend die Qualität landwirtschaftlicher Erzeugnisse berichten, welches bereits beim Oktober-Rat vorgestellt worden ist. Insgesamt wurde in allen bisherigen Debatten breite Zustimmung und hohes Interesse an der Thematik der europäischen Qualitätsproduktion und ihrer Stärkung festgestellt.
 
Das Grünbuch untersucht die verschiedenen in der EU derzeit angewendeten Normen, Qualitäts- und Zertifizierungsprogramme sowie Etikettierungsregelungen. Diese umfassen etwa geografische Angaben, biologische Landwirtschaft sowie private und regionale Zertifizierungsregelungen für Lebensmittelqualität. Das Grünbuch behandelt die Frage, wie die Stärken der EU-Landwirtschaft besser genutzt und die Verbraucher über die angebotenen Erzeugnisse besser informiert werden können.
 
Österreich begrüßt - ebenso wie die Mehrheit der Mitgliedstaaten - die Vorlage des Grünbuches, da mit seiner Hilfe in Zukunft für die Erzeuger einheitliche und für die Verbraucher transparente Regeln für Qualitätsangaben erreicht werden können. Jedoch sollte der Verwaltungs- und Kostenaufwand für Unternehmer sowie der Kontrollaufwand für die Behörden möglichst gering gehalten werden. Wichtig wären auch Verbesserungen im Bereich der geografischen Ursprungsbezeichnungen, so das BMLFUW. (BMLFUW/AIZ)
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