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14.06.2016 | 06:43

ABC zum Brexit

Großbritannien
Was hat eine Hundepfeife mit dem Brexit-Referendum zu tun? Warum gibt es Angst vor einem Dominoeffekt? Und wie denkt die Queen über die EU? Das folgende ABC erklärt wichtige, kuriose und interessante Aspekte zur wohl spannendsten Volksabstimmung des Jahres. (c) proplanta

Schon der britische Beitritt war kompliziert



Die Briten und Europa - das ist schon immer eine widersprüchliche Geschichte gewesen. Leidenschaftlich wird vor der Volksabstimmung auf der Insel am 23. Juni darum gerungen, ob Großbritannien in der EU bleiben oder der Union den Rücken kehren soll. Nicht minder emotional ging es beim Beitritt des Vereinigten Königreichs vor 43 Jahren zu. Ihm war ein jahrelanges und zähes Ringen vorausgegangen, was nicht nur die Schuld der Briten war.

Die Hauptakteure damals: Harold Wilson und Edward Heath auf der einen, Charles de Gaulle und Georges Pompidou auf der anderen Seite. 1958 hatten die Römischen Verträge die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) mit zunächst sechs Mitgliedern geschaffen. Die Briten waren nicht dabei, wollten auch nicht, und es sollte 15 Jahre dauern, bis es dann doch so weit war.

1963 wollten sie dann gerne - zum ersten Mal - was aber am Veto des französischen Präsidenten Charles de Gaulle scheiterte. Großbritannien sei weder politisch noch wirtschaftlich reif für einen Beitritt, argumentierte er, auch gegen die andere fünf, die einer britischen Mitgliedschaft durchaus wohlwollend gegenüberstanden.

De Gaulle befürchtete nicht zuletzt eine Art transatlantischer Gemeinschaft, in der die USA und Großbritannien das Sagen hätten, nicht aber Frankreich. Stattdessen setzte er auf die deutsch- französische Aussöhnung und das Bündnis mit Kanzler Konrad Adenauer.

Über vier Jahre ruhte die Beitrittsfrage, bis Labour-Premierminister Harold Wilson am 10. Mai 1967 einen neuen Antrag in Brüssel stellte. Aber es dauerte nur wenige Tage, bis de Gaulle erneut Bedenken äußerte. Im November 1967 folgte das offizielle französische Veto.

Wieder vergingen zweieinhalb Jahre, bis im Juli 1970 eine neue Verhandlungsrunde in Brüssel begann. Schon ein Jahr früher hatte der frisch gewählte französische Präsident Pompidou die Bereitschaft erkennen lassen, zumindest über einen Beitritt zu sprechen. Das war die Wende.

Vor allem Wilson und die Labour Party hatten den Europakurs über viele Jahre verfolgt, die Meinung der Bevölkerung aber war gespalten. Schon damals hat die Frage die britische Politik «beherrscht und zerklüftet», schrieb der Diplomat Sir Con O'Neill, der die Verhandlungen mit Brüssel führte.

Seit jeher bestimmten dabei ökonomische Kriterien die Debatte. Nützt die Mitgliedschaft oder schadet sie? Mit dem Ende des Empire und dem Verlust der Kolonien gingen Absatzmärkte und Rohstoffquellen verloren. Der daraus folgende Niedergang der Industrie und später die Ölkrise befeuerten den Streit - in die eine wie die andere Richtung.

1970 verlor Labour die Unterhauswahl, und die Partei bog allmählich auf einen anti-europäischen Kurs. Der neue Premier war Edward Heath von den Konservativen, ein überzeugter Europäer. Er führte London in die Verhandlungen, an deren Ende der Beitritt stand.

Am 28. Oktober 1971 stimmte das Unterhaus mit 112 Stimmen Mehrheit für die Mitgliedschaft in den Europäischen Gemeinschaften ab. Nach einwöchigem Redemarathon und 200 Wortmeldungen widersetzten sich auch 69 Labour-Abgeordnete dem Fraktionszwang und votierten mit den Konservativen. Der Beitritt trat dann zum 1. Januar 1973 in Kraft.

Strittig blieben vor allem die Nettozahlungen, die London nach Brüssel überweisen sollte. Damit werde vor allem die französische Landwirtschaft finanziert, hieß es. Nicht ohne Grund, stand doch am Beginn der EWG der Deal, dass die Gemeinschaft vor allem der deutschen Industrie und den französischen Bauern nützlich sein müsse.

Die britische Bevölkerung blieb in der Europa-Frage uneins, und Labour zog 1974 mit dem Versprechen in den Wahlkampf, den Beitritt neu zu verhandeln. Wilson kehrte damit an die Macht zurück, erreichte aber nur geringe Zugeständnisse in Brüssel. Am 5. Juni 1975 stimmten die Briten in einer Volksabstimmung über die Mitgliedschaft ab - und bestätigten sie mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit. Konservative Tories, Labour und Liberale hatten dafür Wahlkampf gemacht.

Zu den Europa-Freunden zählte damals auch die neue konservative Parteichefin Margaret Thatcher. Neun Jahre später sollte sie mit einer ultimativen Forderung in die europäische Geschichte eingehen: «I want my money back», rief sie 1984 auf dem Gipfel in Fontainebleau - und setzte den Briten-Rabatt durch.

Für viele Menschen im Vereinigen Königreich ist es auch in diesen Wochen eine durchaus spannende Frage, wie wohl die 2013 gestorbene Thatcher über den Brexit denken und abstimmen würde. Einer ihrer engsten Berater in den 1980er Jahren, Lord Charles Powell, ist sich sicher: «Sie hätte nie ernsthaft erwogen, aus der EU auszutreten.»
dpa
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