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02.05.2021 | 13:05

Grün-Schwarz in Baden-Württemberg steht - Zugeständnisse von CDU

Grün-Schwarz im Südwesten
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Der konservative Grüne Kretschmann wollte unbedingt wieder mit der CDU regieren. Nun hat er seinen Willen, die CDU dankt es ihm mit Entgegenkommen. Doch Grün-Schwarz muss wegen Geldmangels an vielen Stellen Abstriche machen - auch beim Klimaschutz. (c) proplanta

Zugeständnisse und Abstriche: Grün-Schwarz muss Parteitage überstehen



Der Geldmangel macht Grünen und CDU zu schaffen. Doch bei den Koalitionsverhandlungen musste vor allem der Wahlverlierer CDU beidrehen. Das dürfte beim Parteitag kein Selbstläufer werden.


Nach den Koalitionsverhandlungen ist vor den Parteitagen. Vor allem CDU-Landeschef Thomas Strobl muss sich etwas einfallen lassen, um unbeschadet über seinen Parteitag am nächsten Samstag zu kommen. Denn: Die Liste der Zugeständnisse ist lang. Hinzu kommt, dass der Innenminister in schönsten Wortgirlanden («Die Grünen haben bei uns offene Türen eingerannt») über die Zusammenarbeit mit den Ökos schwärmt. Beides kommt längst nicht bei allen an der Basis gut an.

Vielen in der einst so stolzen Baden-Württemberg-Partei ist es weiter ein Graus, nur Juniorpartner der Grünen von Landesvater Winfried Kretschmann zu sein. Wenn FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke tönt, die CDU habe «ihre Seele verkauft», trifft er einen wunden Punkt.

Zwar hat Strobl parteiintern Kredit, weil er wegen seines guten Kontakts zu Kretschmann als Garant dafür gilt, dass die CDU überhaupt wieder in der Regierung sitzen kann. Trotzdem dürfte es ein cleverer Schachzug sein, Bundesprominenz wie CDU-Chef Armin Laschet und dessen ehemaligen Kontrahenten um den Parteivorsitz, Friedrich Merz, zum größtenteils virtuellen Parteitag einzuladen. Beide folgen der Einladung Strobls und werden für einen gemeinsamen Auftritt in Stuttgart erwartet, wie die «Heilbronner Stimme» (Montag) berichtete.

Laschet hatte den CDU-Abgeordneten und -Bürgermeistern in einer Schalte neulich schon eingebläut, die Kräfteverhältnisse innerlich zu akzeptieren und nicht ständig so zu tun, als sei man besser als die Grünen. Denn: Eine Ampel im Südwesten hätte ihm bis zur Bundestagswahl Diskussionen beschert. Und nun sei Geschlossenheit angesagt.

Dass es keine Ampel-Koalition aus Grünen, SPD und FDP geworden ist, hat die Union dem konservativen Grünen Kretschmann zu verdanken. Der wollte lieber mit der CDU weiterregieren. Auch weil man für ehrgeizigen Klimaschutz die Kommunen braucht, in denen noch viele CDU-ler am Ruder sind. Doch ob diese Rechnung etwa beim Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs aufgeht, muss sich erst noch zeigen.

Überhaupt: Die Umweltverbände sind empört, dass die Grünen aus finanziellen Gründen Abstriche bei teuren Klimaschutz-Maßnahmen machen. Und somit ist auch für Kretschmann der Parteitag am Samstag kein «g'mähtes Wiesle».

Wer hat sich durchgesetzt?

Es war absehbar, dass die Grünen wichtige Vorhaben durchsetzen würden und die CDU an vielen früheren Fronten klein beigeben musste. Kretschmann hatte schon früh klar gemacht, wer Koch und wer Kellner ist: «Jetzt haben wir einen klaren Führungsanspruch.» Denn erstens lag die Union bei der Landtagswahl mit 24,1 Prozent ein großes Stück hinter den Grünen mit 32,6 Prozent.

Zweitens musste sie zunächst in der Sondierung die Gunst von Kretschmann und Co. gewinnen, um sich gegen die Ampelfreunde von SPD und FDP durchzusetzen. So kam es, dass schon im Sondierungspapier viele grüne Vorhaben festgetackert wurden, etwa in der Klima-, Verkehrs-, Asyl- und Gesellschaftspolitik.

Wo musste die CDU Zugeständnisse machen?

Die Liste ist ziemlich lang. Aber: Die Union hatte sich ja schon mit ihrem Wahlprogramm für eine neue Beziehung mit den Grünen fein gemacht. Das erste Kapitel handelte vom Klimaschutz. Da ging man zwar längst nicht so weit wie die Grünen, aber immerhin. Dagegen findet man im FDP-Programm dazu erst etwas auf Seite 100.

Und trotzdem: In der vergangenen Wahlperiode hatte die CDU die Solarpflicht auf privaten Neubauten noch verhindert. Jetzt drehte sie bei. Bei der Windkraft stand die Union ebenfalls aus Überzeugung auf der Bremse, jetzt wird der Weg für neue Windräder freigemacht.

Eine Maut für Lkw ab 7,5 Tonnen auf allen Straßen im Land? Die CDU wischt die Bedenken der Wirtschaft zur Seite. Die Kommunen sollen eine Nahverkehrsabgabe für alle Einwohner oder Autofahrer einführen, um den Bus- und Bahnverkehr ausbauen zu können? Früher wäre die CDU vor so einem Eingriff zurückgeschreckt, heute nicht mehr.

Und weiter geht's: In der vergangenen Wahlperiode hatte die CDU-Fraktion eine Reform des Wahlrechts blockiert. Nun kommt es. Es soll ähnlich wie im Bund ein Zwei-Stimmen-Wahlrecht geben.

Wie steht es mit einem Antidiskriminierungsgesetz nach Berliner Vorbild, das CDU-Innenminister Thomas Strobl einst als «Umkehrung des Rechtsstaats» gebrandmarkt hatte? Nun wird eines für den Südwesten formuliert.

Und: Ständig zofften sich Grüne und CDU um Abschiebungen gut integrierter Flüchtlinge. Die CDU-Fraktion stellte sich am Ende immer quer, diesen Menschen ein Bleiberecht einzuräumen. Auch hier drehte die Union bei.

Verzichten musste die CDU auf Kernpunkte ihrer Familienpolitik, die allesamt viel Geld gekostet hätten. Das Familiengeld, eine Art zusätzliches Kindergeld, das nur in Baden-Württemberg und unabhängig vom Einkommen der Eltern gezahlt werden sollte, blieb auf der Strecke. Das gleiche Schicksal erlitten das Baukindergeld und die anvisierte Senkung der Grunderwerbsteuer.

Und ob die von der CDU geforderten 1.400 neuen Polizeistellen pro Jahr alle kommen, hängt von der Finanzlage ab. Das Gleiche gilt für das schnelle Internet, dass bis in den hintersten Zipfel ausgebaut werden soll. Hier wären Milliarden Euro nötig, die Grün-Schwarz erstmal nicht hat.

Wo mussten die Grünen Abstriche machen?

Auch Kretschmanns Truppe musste der finanziellen Realität Tribut zollen - ausgerechnet auf ihrem zentralen Politikfeld. Eine Milliarde Euro wollten die Ökos in den nächsten fünf Jahren locker machen, um den Südwesten zum führenden «Klimaschutzland» zu machen. Damit sollten insbesondere die Planung für kommunale Wärmenetze gefördert, landeseigene Gebäude saniert und klimaneutrale Wohnquartiere unterstützt werden. Das wird nun dauern.

Auch der geplante massive Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs wird sich wohl deutlich länger hinziehen als erhofft. Die Kommunen sehen nicht ein, dass sie über die Nahverkehrsabgabe das Geld für die vom Land vorgesehene Stärkung von Bussen und Bahnen einsammeln sollen. So gerät die geplante «Mobilitätsgarantie» für den Nahverkehr in Gefahr.

Dafür sollten alle Orte in Baden-Württemberg von 5.00 Uhr früh bis Mitternacht mit dem Nahverkehr erreichbar sein. Hier dürfte es auch nur einen langsamen Einstieg geben. Auch die Senkung der Ticketpreise für Busse und Bahnen wird wohl nur peu à peu vorangehen.
dpa
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