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06.06.2019 | 17:03 | Hatespeaker 

Klöckners Nestlé-Video zeigt große Unternehmensnähe

Berlin - Ernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) steht wegen ihres umstrittenen Videos mit einem Nestlé-Manager weiter in der Kritik.

Julia Klöckner erntet Kritik
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Julia Klöckner lobt Nestlé. Die Kritik im Netz bleibt nicht aus. In ihrem Verteidigungs-Tweet wendet sie sich gegen «Hatespeaker» - hat sie aus dem Rezo-Video nichts gelernt?
Die Verbraucherorganisation foodwatch warf ihr am Donnerstag zu große Nähe zu Lebensmittelunternehmen vor. Geschäftsführer Martin Rücker sagte der ARD: «Nestlé hat gerade im Bereich Kinderlebensmittel ein völlig unausgewogenes überzuckertes Sortiment.»

Das Klöckner-Ministerium hatte am Montag im Internet ein kurzes Video veröffentlicht, in dem Klöckner Nestlé dafür lobt, Rezepturen zu ändern. Sie steht dabei mit Nestlés Deutschland-Chef Marc-Aurel Boersch vor der Kamera. Nach der Veröffentlichung hatte sich ein Shitstorm über die CDU-Politikerin Klöckner ergossen. Auch Bundespolitiker beteiligten sich an der Kritik. Klöckner wurde vorgeworfen, für Nestlé zu werben und sich von der Industrie vereinnahmen zu lassen.

Rücker sagte nun: «In einer solchen Situation erwarte ich von einer Ministerin, dass sie sich nicht gemein macht mit den Interessen der Unternehmen. Dass sie nicht die Unternehmen bewirbt, sondern dass sie vor allem klar macht, dass sie die Aufgabe hat, dieses Problem zu lösen» - gegebenenfalls auch gegen die Unternehmensinteressen.

Klöckner und ihr Ministerium verteidigten das Video, die Ministerin nannte Kritiker im Internet «Hatespeaker» (Hassredner). Die provozierte wiederum Gegenkritik im Netz.

Der Youtuber Rezo schrieb auf Twitter: «Fun Fact: Hätte ich exakt diesen Tweet mit genau so einem Video gepostet, hätte ich es als #Werbung kennzeichnen müssen.» Rezo hatte mit einem Anti-CDU-Video «Zerstörung der CDU» vor der Europawahl die Parteispitze um Annegret Kramp-Karrenbauer verunsichert. Ihre anschließenden Reaktionen wurden auch in den eigenen Reihen heftig kritisiert. Kramp-Karrenbauer räumte anschließend ein, Fehler im Umgang mit dem Video gemacht zu haben und die CDU medial besonders mit Blick auf solche jungen Medien neu aufstellen zu müssen.

Eine Sprecherin des Klöckner-Ministeriums machte deutlich, dass das Video auch intern für Debatten sorge. «Ja, man tauscht sich darüber aus», sagte sie auf die Frage, ob es im Haus eine Debatte um das Video gebe. Zur Umsetzung der Strategie für weniger Zucker, Fett und Salz in Lebensmitteln gehöre aber auch, «mit allen Beteiligten zu sprechen», auch mit Unternehmen. Wenn diese sich verpflichteten ihre Produkte zu ändern, sei das ein Erfolg - und darum sei es gegangen.

Der Begriff «Hatespeaker» habe sich nicht etwa auf Journalisten bezogen, erklärte die Sprecherin, sondern sei an diejenigen gerichtet, die die Ministerin online als «Konzernhure» bezeichnet hätten.

Die Medienanstalt Berlin Brandenburg hatte angekündigt, den Fall zu prüfen. Man nehme Kontakt mit dem Ministerium auf, sagte eine Sprecherin der dpa. Regierungssprecher Steffen Seibert verwies darauf, dass Vertreter der Bundesregierung sich immer wieder mit Vertretern von Unternehmen treffen und gemeinsam äußern - «auch in der analogen, nicht-digitalen Welt», sagte er. «Darin ist nicht Werbung zu sehen.»

Unter den Kritikern waren in den vergangenen Tagen auch prominente Politiker: Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt warf der Ministerin am Mittwoch vor, sie habe ein «Werbevideo» für Nestlé gedreht. Der SPD-Abgeordnete Karl Lauterbach bezeichnete den Vorgang als «peinlich, ja bitter». Er twitterte: «Klöckner lässt sich von Nestlé Lobbyisten erst die Zuckersteuer und die Lebensmittelampel abverhandeln und tritt dann bei PR-Event von Nestlé auf.»

Nestlé werden - wie anderen Konzernen - teils fragwürdige Geschäfte vorgeworfen. So prangerte die Umweltorganisation Greenpeace 2010 an, dass das Unternehmen mit der Verwendung von Palmöl zur Zerstörung von Regenwald beitrage. Nestlé hat versprochen, bis 2020 nur noch Palmöl aus nachhaltiger Produktion zu nutzen. Mit der Reduzierung von Zucker und Fett in seinen Nahrungsmittel dürfte der Konzern auch auf einen nicht unerheblichen öffentlichen Druck reagiert haben.
dpa
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