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23.05.2012 | 07:27 | EU-Schuldenkrise 

Deutscher Wirtschaftsboom gleicht Krise nicht aus

Paris - Deutschland als Fels in der Brandung: Das ist das Bild, das die OECD in ihrem jüngsten Konjunkturausblick zeichnet.

Deutsche Wirtschaft
(c) proplanta
Während die Wirtschaftsleistung der 17 Staaten mit der Euro-Gemeinschaftswährung in die Rezession sinkt, scheint der deutsche Aufschwung kaum zu stoppen. Für 2012 verdoppelten die OECD-Experten die Wachstumsprognose am Dienstag auf 1,2 Prozent, während die Bundesregierung nach etwas anderer Rechnung noch vorsichtig von 0,7 Prozent ausgeht. Für 2013 liegt die OECD-Prognose für Deutschland bei 2,0 Prozent.

«Über Deutschland und den Wirtschaftsausblick zu sprechen ist eine erfreuliche Angelegenheit», kommentierte OECD-Experte Eckhard Wurzel in Paris. «Wir gehen jetzt davon aus, dass der deutsche Konsument die Brieftasche herausholt und dann auch tatsächlich das Geld ausgibt.»

Sollten sich die aktuellen Prognosen betätigen, wird auch die Arbeitslosenquote weiter sinken - auf 6,5 Prozent nach dem Berechnungsstandard der Bundesagentur für Arbeit bis Ende nächsten Jahres. «Budgetkonsolidierung, Strukturreformen und nachhaltiges Wirtschaftswachstum» - das gilt bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) als deutsches Erfolgsrezept.

Alles gut also? Eher nicht, warnen die Experten. Nach ihrer Einschätzung ist die Schuldenkrise keineswegs ausgestanden. Das Schlimmste könnte sogar noch bevorstehen, mit schwerwiegenden Konsequenzen auch für Deutschland und die Weltwirtschaft. Das Finanzsystem sei weiter fragil, heißt es im jüngsten Konjunkturausblick. In Kombination mit steigenden Arbeitslosenzahlen und sozialen Härten müssten «politische Ansteckungseffekte», «ungünstige Marktreaktionen» und «dramatische Entwicklungen in einzelnen Ländern» befürchtet werden.

In klaren Worten mahnt Chef-Ökonom Pier Carlo Padoan mit Blick auf Länder wie Deutschland: «Die zwar begrüßenswerte Konjunkturerholung in den Ländern, die sich in einer gesünderen Verfassung befinden, ist nicht stark genug, um das stagnierende beziehungsweise negative Wachstum auszugleichen.» Ohne Frankreich oder Griechenland namentlich zu nennen betont er, die Wahlergebnisse in mehreren Euroländern zeigten, dass die Toleranz gegenüber Haushaltsanpassungen an ihre Grenzen stößt. Dies erhöhe die Abwärtsrisiken.

Als Hauptrezept gegen die Krise dringt die OECD auf strenge Haushaltsdisziplin und umfassende Strukturreformen. Wenn diese umgesetzt sind, hält sie ein Wachstumspakt für angemessen, das auch gemeinsam garantierte Staatsanleihen zur Rekapitalisierung der Banken oder zur Erhöhung des Kreditangebots beinhalten könnte. Später seien echte Eurobonds denkbar, um nachhaltig Vertrauen in das Währungsgebiet zu erzeugen.

Zum jetzigen Zeitpunkt könne man die Bedenken von Bundeskanzlerin Angela Merkel gegen Eurobonds nachvollziehen, sagte OECD-Ökonom Wurzel. «Wir wollen kein künstliches Wachstum haben, wo kurzfristig Nachfrage aufgebläht wird und die Fiskalsituation möglicherweise noch schlimmer wird. Wir haben hier eine ganz delikate Situation, die ausbalanciert werden muss.» Frankreichs neuer Präsident François Hollande dürfte aber schon die Erwähnung des Wortes Eurobonds gerne lesen.

Sollte sich die Eurokrise nicht verschärfen, kann Deutschland nach Einschätzung der OECD trotz der schwachen Euro-Partnerländer gelassen in die Zukunft blicken. «Das Umfeld für die deutsche Wirtschaft ist offensichtlich nicht so schlecht», kommentiere OECD-Deutschland-Experte Andreas Wörgötter. Die Exportwirtschaft finde derzeit problemlos Märkte, auf denen sie ihre Produkte verkaufen könne, die Fiskalregel und die Energiewende hätten ihre Feuertaufe bestanden. Nur einen klaren Wunsch hat die OECD an Berlin: Der Dienstleistungssektor könnte noch mehr Dynamik gewinnen und attraktiver für Investitionen werden. (dpa)
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