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04.04.2024 | 07:01 | Wirtschaftspolitik 
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Funkstille mit Scholz? Wirtschaft geht auf Konfrontationskurs

Berlin - Wirtschaftsverbände in Deutschland gehen auf Konfrontationskurs zu Kanzler Olaf Scholz (SPD). Industriepräsident Siegfried Russwurm wirft Scholz mit Blick auf die Konjunkturflaute vor, den Ernst der Lage offenbar zu unterschätzen.

Konjunkturflaute
Die deutsche Wirtschaft steckt in einer Konjunkturflaute. Die Kritik an der Bundesregierung nimmt zu. Unterschätzt der Kanzler den Ernst der Lage? (c) ferkelraggae - fotolia.com
Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie sagte der «Süddeutschen Zeitung» mit Blick auf die bisherige Regierungszeit der Ampel-Koalition und den Wirtschaftsstandort: «Es waren zwei verlorene Jahre - auch wenn manche Weichen schon in der Zeit davor falsch gestellt wurden.» Auch andere Wirtschaftsverbände zeigen sich unzufrieden. DIHK-Präsident Peter Adrian sagte der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch: «Der Vertrauensverlust der Politik bei den Unternehmen ist enorm.»

Die wirtschaftliche Lage

Die deutsche Wirtschaft kommt nicht vom Fleck. Vor kurzem senkten führende Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Wachstumserwartungen für dieses Jahr deutlich. Sie erwarten nur noch ein Wachstum von 0,1 Prozent - das bedeutet Stagnation. Es gebe Gegenwind für die Wirtschaft aus dem In- und Ausland, erklärten sie. «Die Wirtschaft in Deutschland ist angeschlagen.» 2023 war die Wirtschaftsleistung sogar um 0,3 Prozent zurückgegangen.

In der Prognose der Institute hieß es, «fortwährende Unsicherheit» über die Wirtschaftspolitik belaste die Unternehmensinvestitionen. Marie-Christine Ostermann, Präsidentin des Verbands Die Familienunternehmer, sagte am Mittwoch, jeden Tag würden Standortentscheidungen gegen Deutschland und gegen Europa getroffen. «Nur noch 25 Prozent der international tätigen Familienunternehmen ist bereit, in Deutschland zu investieren, weil die Standortbedingungen zu schlecht sind.»

Die Kritik der Wirtschaft

Schon seit längerem äußern sich Wirtschaftsverbände unzufrieden mit dem Kurs der Bundesregierung in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Beim Tag der Industrie im vergangenen Juni bereits machte Russwurm deutlich, die Bundesregierung müsse nun liefern, um Abwanderungen von Unternehmen ins Ausland zu verhindern. Das Land stehe vor einem «Berg» wachsender Herausforderungen.

Jetzt scheint sich die Tonart zu verschärfen. Russwurm sagte der «Süddeutschen Zeitung», der BDI spreche mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) regelmäßig. «Vom Kanzler hören wir zuletzt häufig das Zitat «Die Klage ist das Lied des Kaufmanns». So kann man unsere Analysen auch abkanzeln, zeigt aber, dass im Kanzleramt der Ernst der Lage offenbar unterschätzt wird.»

Vor dem letzten Treffen in München Anfang März hätten die vier Spitzenverbände der Wirtschaft Scholz ein Papier mit zehn konkreten Reformideen zugesandt, so Russwurm. «Antwort aus dem Kanzleramt: bisher Fehlanzeige. Oder nehmen Sie das Bürokratie-Entlastungsgesetz: Es wurden dafür 442 konkrete Vorschläge unterbreitet. Aufgenommen hat die Regierung elf.»

Die Verbände fordern etwa international konkurrenzfähige Strompreise, schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren, Entbürokratisierung und eine Steuerreform. Scholz machte in München deutlich, er sehe keinen finanziellen Spielraum für umfassende Steuersenkungen. Er warnte davor, den Standort Deutschland schlechtzureden. «Natürlich hilft es nicht, wenn ganz viele Lobbyisten und Politikunternehmer die Stimmung im Land verschlechtern, weil dann behalten die Leute ihr Geld auf dem Sparbuch und investieren nicht», sagte er.

Immer wieder betont der Kanzler milliardenschwere Investitionen ausländischer Konzerne in Deutschland. Die Regierung subventioniert solche Ansiedlungen zum Teil massiv. Auf der Habenseite sieht Scholz außerdem mehr Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien oder Erleichterungen bei der Einwanderung ausländischer Fachkräfte.

Verbände fordern Reformen

Adrian sagte, zwischen dem vom Bundeskanzler vielfach beschworenen «Deutschland-Tempo» und der von den Unternehmen täglich erlebten Wirklichkeit klaffe eine deutliche Lücke. «In dieser Situation brauchen wir dringend klare Verbesserungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, damit die deutsche Wirtschaft möglichst schnell wieder auf einen Wachstumskurs einschwenken kann. Und das beginnt beim Anerkennen der Wirklichkeit. Der Kanzler und sein Kabinett sollten den Unternehmen zeigen, dass sie verstanden haben, in welcher Situation sich die Wirtschaft befindet und endlich den Beschleunigungsturbo anwerfen.»

Christoph Ahlhaus, Bundesgeschäftsführer des Mittelstandsverbands BVMW sagte: «Bei aller berechtigten Kritik haben wir durchweg den Eindruck gewonnen, dass in der Ampel angekommen ist, dass deutlich mehr getan werden muss, um Deutschland wieder in die Spur zu bringen.» Es sei aber noch eine Menge Luft nach oben. «Darum unser dringender Appell an Regierung und Opposition, aber auch an Wirtschaft und Gesellschaft: Rauft Euch alle zusammen und lasst uns gemeinsam unser Land wieder in Ordnung bringen.»

Dem Bundeskanzler komme hier eine entscheidende Bedeutung zu, dies mit der nötigen Empathie erfolgreich voranzubringen. Ostermann sagte, die Lage sei sehr ernst. Die Wirtschaft brauche Entlastungen. Hier stehe nicht nur Wirtschaftsminister Habeck in der Pflicht, sondern angesichts der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe auch der Kanzler.

Die Pläne der Bundesregierung

Tatsächlich blicken Habeck und Lindner anders auf die Lage der Unternehmen und die deutsche Wettbewerbsfähigkeit als Scholz. Beide sehen, dass der Wirtschaftsmotor stottert und haben Abhilfe versprochen - doch sie haben ganz unterschiedliche Ideen für die Reparatur. Habeck möchte einen «Reformbooster» unter anderem mit Steuerrabatten für grüne Technologien. Lindner dagegen spricht von einer «Wirtschaftswende» mit Bürokratieabbau und steuerlichen Maßnahmen für alle. Im Endeffekt müssten die Unternehmenssteuern «baldmöglichst von rund 30 Prozent effektiver Belastung runter Richtung 25 Prozent», sagte der FDP-Chef der «Rheinischen Post».

Weil das mit Sicherheit auch Geld kostet, soll ein gemeinsames Wachstumskonzept der Ampel-Regierung in den Bundeshaushalt für 2025 eingebaut werden. Der soll Anfang Juli vom Kabinett verabschiedet werden - doch Spielraum für Zusatzwünsche gibt es eigentlich nicht. Stattdessen klafft auch ohne Entlastungen für die Wirtschaft schon eine Milliardenlücke.
dpa
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Kommentare 
maximilian schrieb am 07.04.2024 16:31 Uhrzustimmen(2) widersprechen(16)
Dividenden gibt es in börsennotierten Firmen für die Aktionäre nach dem Aktiengesetz.
Kurzarbeitergeld gibt es für Firmen mit Kurzarbeit, damit die lohnabhängig Beschäftigen vor der Arbeitslosigkeit bewahrt bleiben.
Das sind zwei verschiedene Rechtsbereiche. Wenn ich es zu erklären versuche, heißt das nicht, dass ich es gutheiße.
Die Zahlungsvorgänge beziehen sich auf verschiedene Zeiträume.
Für mich ist das ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen.
Das verfassungsmäßige Prinzip des Sozialstaates bezieht sich auf die Unterstützung der Kurzarbeiter/innen.
Die Börsennotierung und die Ausschüttung von Dividenden beruht auf der freien Entfaltung der Persönlichkeit in unserem Wirtschaftssystem.
Einfache Sichtweisen wie die von Till werden der Lebenswirklichkeit nicht gerecht.
Till Eugenspiegel schrieb am 07.04.2024 02:33 Uhrzustimmen(0) widersprechen(7)
@ Maximilian
heimische
Blutsauger, schrieb ich.

Kurzarbeitergeld einstreichen und gleichzeitig Dividenden ausschütten ist nach meiner Meinung nicht das Prinzip eines Sozialstaates.

Über Waschbären.

Unser Waschbär ist wie Donald Trump.

Von Hajo Schumacher
Ja, er steht schon vor der Tür. Nein, ich finde sein Grinsen nicht süß.
Und ja, er will die Weltherrschaft.
https://www.abendblatt.de/nachrichten/article208144439/Unser-Waschbaer-ist-wie-Donald-Trump.html
maximilian schrieb am 06.04.2024 17:46 Uhrzustimmen(3) widersprechen(9)
Hallo Till Eulenspiegel:
Weder Kriegsflüchtlinge noch Waschbären sind Blutsauger. Für Kurzarbeiter/innen zu sorgen, ist Aufgabe unseres Staates. Wir sind verfassungsgemäß ein Sozialstaat.
Ein Flaschengeist schrieb am 05.04.2024 18:01 Uhrzustimmen(0) widersprechen(13)
fragt sich?
Welches Unternehmen ist wohl gemeint?

Aus dem 1. Kommentar hier.

- Europas größter Agrarkonzern ist 2023 fulminant in die Verlustzone gerauscht -

Fünf Agrarkonzerne beherrschen den Weltmarkt.
Louis Dreyfus
hat seinen Sitz in der niederländischen Hauptstadt Amsterdam.
https://www.boell.de/de/2017/01/10/fuenf-agrarkonzerne-beherrschen-den-weltmarkt

21.03.2024 —
Louis Dreyfus:
Der Nettoumsatz des Konzerns belief sich auf 50,6 Milliarden Dollar.

EU-Agrarsubventionen:
Diese Großkonzerne profitieren
Erstmals ist in der neuen Datenbank „Farmsubsidies” einsehbar,
wer in den vergangenen acht Jahren EU-weit am meisten Agrarsubventionen kassiert hat.
CORRECTIV schlüsselt auf, wer zu den größten deutschen Empfängern gehört.

Deutsche Subventionsriesen bekamen 1,7 Milliarden Euro.
Insgesamt erhielten die deutschen Top 100-Empfänger in den vergangenen acht Jahren jeweils zwischen
acht und 100 Millionen Euro,
insgesamt rund 1,7 Milliarden Euro.
01. Dezember 2022
https://correctiv.org/aktuelles/wirtschaft/agrarindustrie/2022/12/01/eu-millionen-fuer-lebensmittel-konzerne/
Till Eugenspiegel schrieb am 05.04.2024 09:36 Uhrzustimmen(0) widersprechen(7)
Deutschland hat soviel Zuwanderung vom Waschbären bis zum schutzsuchenden Mitbürger/in aus Kriegsgebieten.
Da wird es Zeit dass einige heimische Blutsauger sich neue Habitate suchen, gern ganz weit entfernt.

2022
Millionen Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter, milliardenschwere staatliche Hilfsprogramme:
Die Pandemie hat die deutsche Wirtschaft auch über weite Teile des Jahres 2021 getroffen.
Entsprechend floss viel Geld aus Steuermitteln und Sozialversicherungen zu ihrer Stützung.
Gleichzeitig erwirtschafteten viele Aktiengesellschaften hohe Gewinne – und schütten nun eine Rekordsumme an ihre Anteilseigner aus:

In diesem Jahr werden sie rund 70 Milliarden Euro an Dividenden zahlen. -
Quelle:
https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/trotz-corona-krise-deutsche-konzerne-zahlen-rekord-dividenden-a-e6b9b2bd-95b0-49bc-a070-d693457f620f

Seit Jahrzehnten haben diese Blutsauger auch den Facharbeiter/in Mangel erzeugt.

" Die Ausbildungsbilanz der IG Metall wirft deutschen Unternehmern Versäumnisse vor.
Unternehmen bilden nach Ansicht der IG Metall nicht genügend junge Leute aus und fixieren sich zu stark auf schnelle Gewinne. "
Quelle:
https://www.fr.de/wirtschaft/unternehmen-bilden-wenig-11442104.html

03.2024 —
An der Börse geht es derzeit nahezu pausenlos steil bergauf –
auch am Dax jagt ein Rekord den nächsten.
agricola pro agricolas schrieb am 04.04.2024 08:05 Uhrzustimmen(37) widersprechen(3)
Der Flaschengeist, der von den grünen Philanthropen freigesetzt wurde, wütet in Reihen der heimischen Landwirtschaft derzeit hemmungslos, ohne jedwede Rücksichtnahme. Das kostet gnadenlos Betriebe; wo derart aggressiv gehobelt wird, fallen bekanntermaßen auch sehr viele Späne.

Dieses Besserwisserklientel stülpt nun der kompletten Industrie eben genau dieses ladungshemmende Korsett über - mit welchen fatalen Konsequenzen!?

Die Bauern wurden für DIESELGATE II nicht selten verhöhnt, spöttisch verlacht, weil sie dagegen auf die Straßen gezogen sind. Man stellte eben „nur“ dieses Ansinnen in einen medialen Fokus, obgleich die wahren Gründe weit tiefschürfender sind.

Die krass grün erzeugten Dissonanzen dringen offensichtlich heute noch nicht komplett bis ins urbane Umfeld vor!? Die Weiterungen in Folge eben genau dieser nicht selten vollkommen sinnbefreiten Verordnungen, Restriktionen, Erlasse, werden allerdings auch dort grausam wüten in Bälde.

Europas größter Agrarkonzern ist 2023 fulminant in die Verlustzone gerauscht, mit fatalen Resonancen innerhalb der ländlichen Räume. Ein schales Vorgeschmäckle dessen vielleicht, wie ein solches Szenario als roter Faden die gesamte deutsche Industrie durchziehen könnte.

Das grüne „Beauty-Programm“ rasiert derzeit in erster Linie die Bauernhöfe im ländlichen Umfeld rasant weg; die urbanen Welten werden von einem solchen geradezu vermessenen, volkswirtschaftlich feindlichen Schönheitsschlaf allerdings nicht verschont bleiben - Wohlstand ist schließlich kein in Stein gemeißelter Selbstläufer!

20.000 botswanische Elefanten lassen grüßen...!
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