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28.11.2007 | 18:04

Kommission schlägt Aussetzung der Einfuhrzölle auf die meisten Getreidesorten vor

Brüssel - Die Europäische Kommission hat vergangenen Montag die Aussetzung der Einfuhrzölle auf alle Getreidesorten außer Hafer bis zum Ende des laufenden Wirtschaftsjahres am 30. Juni 2008 vorgeschlagen.

Getreidesack
(c) proplanta
Dies ist eine Reaktion auf die außergewöhnlich angespannte Lage auf den Getreidemärkten weltweit und in der EU sowie auf die Rekordpreise für Getreide. Obwohl schon jetzt der Außenschutz bei Getreide verhältnismäßig niedrig ist, werden weiterhin Einfuhrzölle für bestimmte Getreidearten erhoben, die für das Gleichgewicht auf dem EU-Markt wichtig sind. Der Vorschlag muss vom Ministerrat gebilligt werden, vorzugsweise auf der am 18. Dezember beginnenden Tagung.

„Ich hoffe, dass dieser Vorschlag dazu beitragen wird, die Getreideeinfuhren aus Drittländern zu erleichtern und Spannungen auf den europäischen Getreidemärkten abzubauen“, erklärte Kommissionsmitglied Mariann Fischer Boel, zuständig für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung. „Die Getreideernte in Europa ist mäßig ausgefallen und die Preise sind sowohl auf dem europäischen Markt als auch auf dem Weltmarkt gestiegen. Obwohl der Außenschutz bei Getreide relativ niedrig ist, werden noch immer Einfuhrzölle für bestimmte Getreidesorten erhoben, die für das Gleichgewicht auf dem EU-Markt wichtig sind.“

Lage der Getreidemärkte
Zu Beginn des Wirtschaftsjahres 2007/8 im Juli waren die gesamten Bestände (private Lagerbestände + Interventionsbestände) um 13,2 Millionen Tonnen niedriger als im vorangegangenen Wirtschaftsjahr. Dies ist auf die schwache Getreideernte 2006/7 und auf die Auslagerung bedeutender Interventionsmengen in der Gemeinschaft zurückzuführen. Der Ernte 2007 wurde durch die ungünstigen Witterungsbedingungen schwerer Schaden zugefügt.

Die Gesamterzeugung in der EU wird auf 256 Millionen Tonnen geschätzt; das sind 10 Millionen Tonnen bzw. 3,5 % weniger als in dem bereits schlechten Wirtschaftsjahr 2006/7. Der Erzeugungsrückgang tritt zu einem Zeitpunkt ein, da die Getreidebestände in der EU bereits niedrig sind. Folglich muss die Europäische Union im Wirtschaftsjahr 2007/08 mehr Getreide einführen als 2006/7. Im laufenden Wirtschaftsjahr 2007/8 ist die EU (traditionell Nettoausführer) seit 1. Juli 2007 Nettoeinführer (5,2 Millionen Tonnen am 20. November)

Die europäischen Getreidepreise haben sich seit Beginn des Wirtschaftsjahres 2007/8 spektakulär entwickelt. Sowohl die Halmgetreidesorten als auch Mais stehen unter Druck. Diese Lage ist auf die geringen Weichweizen- und Maisvorräte, die hinter den Vorausschätzungen zurückbleibende Qualität der Ernte und die Ausschöpfung der Interventionsbestände zurückzuführen, die nur noch 0,5 Millionen Tonnen betragen.

Der Preis für Brotweizen in Rouen ist vom Beginn des neuen Wirtschaftsjahres bis September 2007 von 179 EUR/t auf fast 300 EUR/t gestiegen. In Deutschland wurde Brotweizen Mitte August bereits um 70 % teurer verkauft als im Vorjahr. Die Preise für Futtergerste sind genauso gestiegen wie die für Weizen. Auf dem französischen Markt hat sich der Preis für Futtergerste gegenüber dem Sommer 2006 mehr als verdoppelt; Ende September 2007 kostete die Tonne in Rouen bis zu 270 EUR. Der hohe Gerstenpreis hat zu einer verstärkten Nachfrage nach Futtermais geführt. Bei französischem Mais in Bayonne war seit Beginn des neuen Wirtschaftsjahres am 2. Juli 2007 die gleiche Tendenz und ein Anstieg von 183 EUR/t bis auf einen Höchststand von 255 EUR/t Mitte September 2007 zu beobachten.

Einfuhrzölle für Getreide: Hintergrund
Die EU hat die Zölle für alle im GATT berücksichtigten Getreidesorten gebunden. Sie wendet aber verschiedene Zollsätze an. Das System hat seinen Ursprung im Blair-House-Abkommen mit den USA und sieht die Festsetzung von Zöllen auf der Grundlage der weltweiten Referenzpreise für spezifische Getreidearten vor. Der Einfuhrzoll errechnet sich auf der Grundlage der Differenz zwischen dem tatsächlichen Interventionspreis der EU, einschließlich der monatlichen Zuschläge, multipliziert mit 1,55 und einem repräsentativen cif-Preis in Rotterdam.

Der auf diese Weise berechnete Zollsatz beträgt zurzeit 0 für Hartweizen, Qualitätsweichweizen, Roggen und Sorghum. Der Zoll für Mais hat seit Beginn des laufenden Wirtschaftsjahrs geschwankt, und zwar zwischen dem Höchststand von 16,21 EUR/t und 0 seit 1. Oktober 2007. Außerhalb dieser Kontingente gilt ein Zollsatz von höchstens 93 EUR/t bzw. 95 EUR/t.

2003 wurden als Reaktion auf umfangreiche Einfuhren aus Ländern der Gemeinschaft unabhängiger Staaten Zollkontingente für Gerste und für Weizen mittlerer und geringer Qualität eröffnet.

Für Weichweizen mittlerer und geringer Qualität wurde ein jährliches Zollkontingent von 2.989 240 t eröffnet. Darin enthalten sind zwei länderspezifische Subkontingente von 572.000 t für Einfuhren aus den Vereinigten Staaten und von 38.853 t für Kanada. Ein drittes Subkontingent von 2.378 387 t wird in vier gleiche Tranchen zu 594 597 t aufgeteilt, wobei jeweils eine Tranche pro Quartal für Einfuhren aus anderen Drittländern zur Verfügung steht. Der Zollsatz auf Einfuhren im Rahmen des Kontingents ist auf 12 EUR/t festgesetzt.

Für Gerste wurde ein jährliches Zollkontingent von 306.215 t eröffnet, wobei sich der Kontingentszollsatz auf 16 EUR/t beläuft. Bei dem Zollkontingent für 50.000 t Braugerste beläuft sich der Zoll auf 8 EUR/t.

2006 wurde für Mais ein zollfreies Kontingent von 242.074 t festgesetzt, das in zwei gleiche, allen Drittländern offenstehende Tranchen unterteilt ist. Dieses Kontingent wurde für 2007 vollständig ausgeschöpft.

Für die Einfuhren von Mais und Sorghum nach Spanien und Portugal gibt es seit dem Beitritt dieser beiden Länder zur EU Zollkontingente mit verringerten Zollsätzen.

Bei Hafer beläuft sich der Einfuhrzoll auf 89 EUR/t. (PD)
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