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08.11.2016 | 11:30 | Schadenersatzprozesse 

Was hinter der Klageflut gegen Zuckerproduzenten steckt

Mannheim/Karlsruhe - Vor dem Landgericht Mannheim laufen weitere Schadenersatzprozesse von Lebenmittelherstellern gegen die drei großen deutschen Zuckerproduzenten an.

Schadenersatzprozesse
Die großen deutschen Zuckerhersteller haben Bußgelder von 280 Millionen Euro wegen Kartellabsprachen zahlen müssen. Nun wollen viele Lebensmittelhersteller Schadenersatz einklagen. (c) proplanta
Insgesamt geht es um viele Millionen Euro. Das Bundeskartellamt hatte Südzucker, Nordzucker und Pfeifer & Langen (Diamant-Zucker) wegen Gebiets-, Mengen- und Preisabsprachen Bußgelder von insgesamt 280 Millionen Euro aufgebrummt.

Warum verhängte das Bundeskartellamt Bußgelder?

Wie in vielen anderen Fällen auch flog das Zuckerkartell auf, weil ein Teilnehmer sich dem Bundeskartellamt als Kronzeuge offenbarte. Nordzucker profitierte auf diese Weise von einer Bonusregel und kam glimpflich davon. Am härtesten traf es Südzucker. Der Branchenriese musste 195,5 Millionen Euro zahlen. Aus Sicht des Bundeskartellamts haben Südzucker (Mannheim), Nordzucker (Braunschweig) sowie Pfeifer & Langen (Diamantzucker, Köln) über mehrere Jahre hinweg bis 2009 Verkaufsgebiete, Quoten und Preise abgesprochen. Das ist verboten, weil es Wettbewerb verhindert und somit zu hohen Preisen führt.

Wer klagt und um welche Summen geht es?

Vor dem Landgericht Mannheim laufen mehr als zehn Verfahren. Die höchste Forderung hat der Lebensmittelkonzern Nestlé mit 50 Millionen Euro gestellt. Auch die Süßwarenproduzenten Katjes, Vivil und Kalfany, mehrere Schokoladen-, Gebäck- und Getränkeproduzenten sowie das Feinkostunternehmen Hengstenberg fordern Schadenersatz. Allein vor dem Landgericht Mannheim übersteigen die Forderungen die Marke von 100 Millionen Euro. Auch an anderen Orten stehen große Summen im Raum. Mehrere Großmolkereien und Konfitürenhersteller fordern Berichten zufolge zusammen mehr als 140 Millionen Euro.

Wie argumentieren die Kläger?

Die Unternehmen haben bei den Branchenriesen als Zutaten für ihre Produkte große Mengen Zucker in unterschiedlicher Form gekauft. Über ihre Anwälte argumentieren sie, dass sie wegen des fehlenden Wettbewerbs zu hohe Preise bezahlen mussten. Sie hätten praktisch keine Alternativen zu den Angeboten des in ihrer Gegend arbeitenden Zuckerherstellers bekommen können. Die Anwälte verweisen darauf, dass der Bußgeldbescheid des Bundeskartellamtes als Beweis ausreiche. Ein Kartell werde stets dazu gebildet, überhöhte Preise zu kassieren.

Wie argumentieren die Zuckerhersteller?

Aus ihrer Sicht ist kein Schaden entstanden, weil der Zuckermarkt in der Europäischen Union stark reguliert ist. Gebietsabgrenzungen entstünden, weil die Zuckerfabriken in der Nähe der Anbaugebiete und die Absatzmärkte um die Zuckerfabriken herum liegen. Ein Vertreter argumentierte, dass es wegen der Transportkosten unsinnig wäre, sich von einem weit entfernten Zuckerwerk beliefern zu lassen. In einigen Fällen gehen die Zuckerhersteller davon aus, dass Forderungen verjährt sind. Außerdem werfen sie einigen Klägern vor, sich nicht um alternative Angebote bemüht zu haben.

Wie ist der Stand in den bisherigen Verfahren in Mannheim?

Der Vorsitzende Richter Andreas Voß sieht es in den laufenden Verfahren als sinnvoll an, durch einen Gutachter klären zu lassen, ob den Lebensmittelherstellern ein Schaden entstanden ist und wenn ja, in welcher Höhe. Urteile gibt es noch nicht.

Welchen Umfang kann der Schadenersatzstreit insgesamt annehmen?

Nach Angaben des Bundeskartellamts haben weit mehr als hundert Unternehmen Akteneinsicht beantragt. Das heißt nicht, dass alle diese Firmen auch klagen wollen. Mit den bisherigen Verfahren muss der Ärger für die drei Zuckerriesen aber noch nicht beendet sein.
dpa
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