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22.01.2020 | 13:30 | Bauernproteste 

Wie geht es den Bauern im Land?

Hamburg / Husby / Wertheim / Hagnau - Der Bauernhof von Hans-Joachim Krohn in Hamburg ist etwas Besonderes, allein schon wegen seiner Lage: Er grenzt westlich ans Autobahnkreuz Nordwest und liegt nur wenige Straßen und Häuserschluchten vom Eidelstedter Platz völlig unvermittelt in einer grünen Oase.

Unkrauthacker 2020
Seit Monaten protestieren Landwirte in Deutschland - es geht um Düngeregeln, Insektenschutz, Lebensmittelpreise. Die Bundesregierung nimmt den Ball auf und will jetzt einen großen Dialog anstoßen. Was treibt Bauern zwischen Schleswig-Holstein und Bodensee gerade um? (c) proplanta
Erstmals urkundlich erwähnt ist der Hof im Jahr 1556. Seitdem ist er im Besitz der Familie, heute bewirtschaftet der 57-Jährige dort 60 Hektar. Aber die Naturidylle mitten in Hamburg ist auch ein Fluch. «Die immer härteren Umwelt- und Düngeauflagen strangulieren dich auf Dauer», sagt Krohn.

Ein Teil seines Landes wurde 2017 zum Überschwemmungsgebiet erklärt, seit November 2019 liegt der Hof in einem neu deklarierten Wasserschutzgebiet. Zudem sei der Landhandel weggezogen, und manche Lieferanten kämen nur noch für zusätzlichen Fuhrlohn.

«Unsere Perspektive sieht nicht sehr gut aus, weil wir hier keine Alternativen haben. Wir sind im Landschaftsschutzgebiet. Wir können kaum was machen, uns sind die Hände gebunden», sagt Krohn nachdenklich, um dann noch leise hinzuzufügen: «Meine Frau Bärbel und ich, wir haben unseren beiden erwachsenen Töchtern davon abgeraten, den Betrieb später einmal weiterzuführen.»

Ähnliche Sorgen um die Zukunft machen sich auch andere Bauern in Deutschland. Viele sind wirtschaftlich unter Druck, fürchten weitere Auflagen beim Düngen und beim Pflanzenschutz oder leiden unter zu niedrigen Preisen für ihre Erzeugnisse - und manch einer fühlt sich beim Thema Klimaschutz zu Unrecht an den Pranger gestellt.

Aus Ärger über die Agrarpolitik rollen Bauern seit Monaten mit ihren Traktoren in die Städte, wie auch gerade wieder zum Start der Branchenmesse Grüne Woche in Berlin. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) lud im Dezember schon zum «Agrargipfel», nun soll eine breite Debatte folgen.

Auf allen Seiten sei Frustration entstanden, sagt Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) am Dienstag in Messehalle 23a. Es ist der Auftakt des «Nationalen Dialogforums» - einer Reihe von Diskussionsveranstaltungen, mit der sie nun durchs Land touren will. Start ist am 25. März, das Motto: «Stadt, Land, Du».

Dabei sollen Landwirtschafts- und Umweltverbände, Verbraucher und Politik an einen Tisch kommen. Ziel ist, entstandene «Parallelwelten» zu verbinden und gesellschaftliche Erwartungen an die Branche zu klären. Aber auch, wie Investitionen in höhere Standards auf den Äckern und im Stall zu bezahlen sind. Mit Wissen steige Wertschätzung, sagt die Ministerin.

Karl Megerle hofft ebenfalls auf mehr Kommunikation. Der Landwirt arbeitet Hunderte Kilometer weiter südlich in Hagnau am Bodensee als Wein- und Obstbauer auf rund 16 Hektar Fläche, die ebenfalls im Landschaftsschutzgebiet liegen. Das bringe zwar Vorteile: So seien die Flächen etwa stärker gegen den Siedlungsdruck geschützt.

Auf der anderen Seite sieht Megerle mögliche Einschränkungen beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln mit Sorge. Umwelt- und Artenschutz seien auch für Bauern wichtige Themen, sagt der 62-Jährige. «Wenn wir in der Landwirtschaft gegen die Natur schaffen, wäre das doch Quatsch.»

Die Landwirte und ihre Verbände müssten jedoch stärker kommunizieren, was sie etwa zum Thema Umwelt- und Artenschutz schon längst beitrügen, sagt Megerle. In der Gesellschaft herrschten oftmals zu romantische Vorstellungen von der Landwirtschaft. «Eine ganz gravierende Wissenslücke ist zum Beispiel, dass im biologischen Anbau genauso Pflanzenschutz betrieben wird.»

Ohne diesen gebe es aber auch keine gesunden Erzeugnisse. «Man kann heute nicht mehr so produzieren, dass man mal schaut, was am Ende des Jahres rauskommt», sagt Megerle. «Jeder Betrieb ist ein Wirtschaftsbetrieb, der seine Mitarbeiter und die Fixkosten bezahlen muss.»

Ähnlich argumentieren auch Ingo und Nele Bielfeldt, die in ihren Ställen in Husby in der Nähe von Flensburg rund 3.000 Mastschweine halten. Etwa drei Monate bleiben die Tiere bei ihnen, bevor sie geschlachtet werden. Dann kommen die nächsten Schweine. Zudem bewirtschaften sie 260 Hektar Land.

Das junge Paar betreibt den Hof konventionell, wie es auch schon die Eltern von Nele Bielfeldt getan haben. Zwar nähmen die Diskussionen um Tierwohl und Biofleisch an Fahrt auf. Aber: «Heute ist eben genau dieses Schwein, das wir produzieren, nachgefragt», sagt Nele Bielefeldt. «Ganz speziell aus China aber auch innerhalb von Deutschland.»

Viele Bauern sehen sich aller Kritik zum Trotz selbstbewusst als Klimapraktiker. «Wir wollen Naturschutz gemeinsam nach vorne bringen, nicht einfach Verbote als Basis», argumentierte auch schon Bauernpräsident Joachim Rukwied. «Es geht uns nicht um das Ob, sondern ausschließlich um das Wie.» Zusätzliche Sorgen macht vielen Landwirten auch die im Nachbarland Polen verbreitete Afrikanische Schweinepest. Bislang gibt es keinen Fall der für den Menschen ungefährlichen Tierseuche in Deutschland.

Auch Ingo und Nele Bielfeldt hoffen auf eine wirkliche Diskussion - ohne Schuldzuweisungen. «Wir würden uns wünschen, dass man von politischer Seite eine Vision hat, wie wollen wir Landwirtschaft in 20 Jahren haben. Wir können uns dann anpassen», sagt der junge Landwirt. Wenn es Konsens sei, künftig weniger Tiere halten zu wollen, sei das in Ordnung.

Allerdings bedeuteten weniger Tiere nicht gleichzeitig kleinere Betriebe. «Es heißt vielmehr, dass einige Betriebe aussteigen», sagt Nele Bielefeldt. Große Höfe seien nicht zwangsläufig schlechter. Auch sie diskutierten immer wieder über Ethik, diese sei ein ganz wichtiger Aspekt, wenn über Tierwohl gesprochen wird. «Das ist essenziell mit Tieren. Du gehst mit dem Herz durch den Stall. Und Ethik hört nicht auf, sobald du mehr als 1.000 Tiere hast.»
dpa
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