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19.08.2014 | 09:21 | Baumunfälle vermeiden 

Streit um Bäume am Straßenrand

Berlin - Allein in Brandenburg sollen 340.000 Bäume die Straßen säumen. Oft geht es auf den Alleen kilometerlang nur geradeaus - das verleitet zum Rasen.

Bäume gefährden Straßenverkehr
(c) proplanta
Den Liedermacher Rainald Grebe animierte dies zu den bösen Zeilen: «In Brandenburg, in Brandenburg ist wieder jemand gegen einen Baum gegurkt. Was soll man auch machen mit 17, 18 in Brandenburg?»

Bundesweit markieren Straßenbäume das Ende so mancher Fahrt. Umweltschützer und Politiker argwöhnen nun, dass ihre Zahl durch eine seit 2009 geltende Richtlinie klammheimlich massiv reduziert wird - um mehr Verkehrssicherheit zu erreichen.

Montagmorgen, Bundespresseamt in Berlin: Der Deutsche Naturschutzring (DNR) hat mit der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) zu einer Pressekonferenz eingeladen. Haupttreiber für die «völlig überzogene Abholzung» von Straßenbäumen sei die Versicherungswirtschaft, die ihre Kosten drücken wolle, wettert DNR-Generalsekretär Helmut Röscheisen. Mit fragwürdigen Gutachten würden viele tödliche Unfälle den Bäumen angekreidet.

Der Unfallforscher des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Siegfried Brockmann, weist das scharf zurück: Fakt sei, dass mit 18 Prozent Baumunfälle immer noch die häufigste Einzelursache von tödlichen Verkehrsunfällen in Deutschland seien. Schon ein seitlicher Baumaufprall mit 55 km/h hat laut Untersuchungen schwerste oder tödliche Verletzungen zur Folge.

Seit 1995 hätten über 25.600 Menschen in Deutschland so ihr Leben verloren, meint die Versicherungsbranche. Röscheisen kritisiert, die Straßenbaubehörden entschieden sich zu häufig, Bäume zu entfernen, da Abholzen günstiger sei, als das Anbringen von Schutzeinrichtungen. «Die wahre Ursache ist aber fast immer überhöhte Geschwindigkeit.»

Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) müsse das Abholzen stoppen. «Bei uns laufen seit einigen Monaten aus dem gesamten Bundesgebiet Alarmmeldungen ein, dass Bäume verstärkt abgeholzt werden.»

Zankapfel ist die seit 2009 geltende «Richtlinie für passiven Schutz an Straßen durch Fahrzeug-Rückhaltesysteme» (RPS), die den Spielraum für das Entfernen von Hindernissen - also auch Bäumen - erleichtert. Bis dahin galt zudem gemäß den «Empfehlungen zum Schutz vor Unfällen mit Aufprall auf Bäume» (ESAB) ein Mindestabstand von 4,50 Metern zwischen Baum und Straße, nun sind es bei Neupflanzungen 7,50 Meter. Sie scheitern aber laut DNR oft daran, dass Privateigentümer sich weigern, Flächen entlang der Straßen für den nun notwendigen 8 bis 10 Meter breiten Pflanzstreifen abzutreten, dazu kämen höhere Mähkosten.

Das Verkehrsministerium betont, ein Entfernen von Bäumen sei immer als «ultima ratio» (letztes Mittel) zu sehen. Zahlen zu gefällten Bäumen hat Dobrindts Haus nicht, auch weil die Landstraßen in die Zuständigkeit der Länder fallen.

Gerade in Brandenburg werde «der schleichende Tod von Alleen immer sichtbarer», meint SDW-Geschäftsführer Christoph Rullmann. Von 2010 bis 2012 seien dort 11.025 Bäume gefällt, aber nur 9765 neu gepflanzt worden. Zudem sei es kurios, wenn neue Bäume meterweit von der Allee entfernt verloren im Feld stehen.

Aber dem steht auch eine andere Zahl gegenüber: 2012 starben laut Statistischem Bundesamt 696 Menschen bei Baumunfällen in Deutschland, davon 595 auf Landstraßen. Im alleenreichen Brandenburg seien knapp 60 Prozent aller Getöteten auf Landstraßen durch einen Aufprall auf einen Baum ums Leben gekommen, in Niedersachsen 42,8 Prozent. 2013 gab es 601 Verkehrstote durch Baumunfälle, die meisten mit 118 in Niedersachsen, gefolgt von Bayern (109) und Nordrhein-Westfalen (77).

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Josef Göppel, ein gelernter Förster, sieht einen Abholzungstrend auch in Bayern. In einem Schreiben an Landesverkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) moniert er, durch die RPS-Richtlinie würden nachgeordnete Behörden dazu aufgefordert, «vor der Anbringung von Schutzplanken die Beseitigung hinderlicher Bäume zu prüfen». Bäume an Straßen dienten aber seit Jahrhunderten der «optischen Führung sowie zum Sonnen-, Wind- und Schneeschutz».

Göppel fordert stattdessen mehr stationäre Radarkontrollen. Bäume dürfe man nicht zu Sündenböcken für zu schnelles Fahren machen, betont das Mitglied im Bundestags-Umweltausschuss. «Die fehlerverzeihende Straße wird es nicht geben, denn es bleiben Kreuzungen, Brückengeländer oder Risiken bei Überholvorgängen.» Naturschützer Röscheisen sieht das genauso, er setzt zudem auf eine Zukunft mit ferngesteuerten Autos - dann müsse auch kein Baum mehr unnötig abgeholzt werden, meint er.
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