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28.05.2012 | 13:25 | Bestäubervielfalt  

Riskante Abhängigkeit von der Honigbiene

Lüneburg - Naturbelassene Flächen werden nicht nur in Deutschland immer seltener. Gerade für Landwirte ist diese Tendenz riskant, weil sie die Abhängigkeit von der Honigbiene verstärkt

Honigbiene
(c) proplanta
Denn mit wachsender Entfernung von naturbelassenen Habitaten verringert sich die Vielfalt anderer Bestäuber dramatisch. Sie fallen dann als Alternative zur Honigbiene zumindest teilweise aus. Das zeigen zwei internationale Studien unter Federführung der Leuphana Universität Lüneburg. In dieser Situation können Krankheitserreger wie die Varroamilbe, die mitunter ganze Bienenvölker dahin raffen, auch die Landwirtschaft empfindlich treffen.

Ackerbohne, Blaubeere, Kirsche, Mandel oder Raps sind auf Insektenbestäubung angewiesen. Sie bilden sonst weniger Früchte oder sogar gar keine. Je weiter nun der Abstand solcher Pflanzen zu naturbelassenen Flächen in ihrer Umgebung, desto seltener und unregelmäßiger werden sie von Hummeln, Käfern oder Wildbienen besucht.

„Mit wachsender Entfernung von naturbelassenen Habitaten verringert sich die Vielfalt der Blütenbesucher dramatisch“, sagt Professorin Dr. Alexandra M. Klein von der Leuphana Universität Lüneburg. „Im Schnitt sinkt die Artenzahl in einer Entfernung von einem  Kilometer zur nächsten Naturhabitat um mehr als ein Drittel.“ Auf den heute üblichen großen Ackerflächen fallen diese Insekten also als Bestäuber mehr oder weniger aus.

Ein Grund: Die meisten Bestäuber fühlen sich in blütenartenreichen Biotopen am wohlsten. Außerdem ist der Aktionsradius der meisten wildlebenden Blütenbesucher eingeschränkt; sie entfernen sich selten weiter als einen Kilometer von ihren Nestern. Als direkte Konsequenz erfolgen die Besuche in großen Monokulturen nicht mehr so kontinuierlich, sondern unterliegen deutlichen Schwankungen. Dadurch wird nicht mehr jede Blüte bestäubt und die Pflanze bildet weniger Früchte. Dieser Effekt ist gravierend, wie Klein zusammen mit Kollegen zeigen konnte: Um durchschnittlich 16 Prozent sank der Fruchtansatz in einer Entfernung von einem Kilometer zur nächsten naturbelassenen Fläche.


Honigbiene muss den Ausfall kompensieren

Und diese Abnahme könnte noch deutlich größer sein, wenn es nicht die Honigbiene gäbe. Sie stellt laut Studie im Schnitt immerhin die Hälfte aller Blütenbesucher und ist daher mit großem Abstand der wichtigste Bestäuber. Honigbienen lassen sich zudem leicht in großen Kolonien halten. Daher nutzen manche Landwirte sie, um ihre Erträge zu erhöhen: Sie bitten Imker, ihre Bienenstöcke gezielt in den Feldern zu platzieren. „Honigbienen finden wir daher so gut wie in jeder Landschaft“, sagt Klein. „Sie können den Verlust anderer Blütenbesucher größtenteils kompensieren - allerdings eben nicht komplett.“

Aber auch aus einem anderen Grund sollten Landwirte nicht einseitig auf die Honigbiene setzen. Denn was würde etwa mit einer Obstplantage passieren, wenn diese als Bestäuber ausfiele? Ganz einfach: Die Bäume würden viel weniger Früchte bilden. Ganz unwahrscheinlich ist dieses Szenario nicht. Beispielsweise sind Honigbienen wasserscheu und fliegen kaum bei Regenwetter.

Außerdem machen ihnen Schädlinge wie die Varroamilbe zu schaffen, die ganze Völker dahin raffen kann. „In den letzten fünf Jahren beobachten wir zudem weltweit, dass immer mehr Honigbienen-Völker in den kalten Jahreszeiten nicht überleben“, sagt Klein. Fälle wie diese können theoretisch gerade in großen Monokulturen zu erheblichen Ernteausfällen führen, warnen die Forscher.

„Landwirte, die in ihren Plantagen und Ackerflächen Platz für naturbelassene Inseln lassen, könnten sich von der Honigbiene emanzipieren und dieses Risiko minimieren“, betont Klein. Allerdings dürfen diese Inseln nicht zu klein sein, konnte sie zusammen mit US-Kollegen bei der Untersuchung von Mandelplantagen in Kalifornien zeigen. „Nur wenn viel natürliches Habitat um die Plantagen liegt, konnten wir eine Erhöhung des Fruchtansatzes feststellen“, sagt sie. „Diese fällt noch größer aus, wenn die Plantagen nach ökologischen Richtlinien bewirtschaftet wurden.“

„Wir sollten ökologische Ressourcen auch als einen wichtigen ökonomischen Faktor betrachten“, erläutert sie. In Lüneburg haben sich zu diesem Zweck Umweltökonomen und Ökologen mit internationalen Experten aus verschiedenen Disziplinen zusammengetan und das Zentrum „FuturEs“ gegründet (die Abkürzung steht für „Futures of Ecosystem Services”; zu deutsch „Zukunft von Ökosystem-Dienstleistungen”). Klein zählt zu den Gründungsmitgliedern. (PD/Pp)
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