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17.02.2011 | 09:05 | Biogas statt Bio-Landwirtschaft 

Interesse an Bio-Landwirtschaft schwindet

Nürnberg/Waischenfeld - Die Nachfrage nach deutschen Bio-Produkten sei groß, betonen Branchenvertreter auf der Messe Biofach.

Bio-Landwirtschaft
(c) EU
Doch das Interesse der Bauern am ökologischen Landbau ist gebremst. Viele setzen lieber auf Biogas.

Auf die Weide dürfen auch Bio-Kühe in diesem Februar nicht. Denn würden sie im Matsch herumtrampeln, wäre das schlecht für den Boden. Nach «Öko» sieht es auf den ersten Blick im Milchviehstall auf Gut Schönhof bei Waischenfeld im Norden Frankens nicht aus, brav stehen die Tiere in ihrem Stall. Aber Betriebsleiter Gottfried Maurer erklärt den Unterschied zur konventionellen Landwirtschaft: «Die Tiere sind bei uns keine Produktionsmittel. Sie werden als Lebewesen wahrgenommen.» Grassilage oder Schrot aus selbst angebautem Getreide bekommen die Tiere vorgesetzt, kein importiertes Kraftfutter oder mit Pflanzenschutzmitteln behandelten Silomais. Kälber werden mit Vollmilch getränkt, für sie wird - anders als in «normalen» Betrieben - nicht einfach Milchpulver angerührt.

Doch die Lust am ökologischen Landbau ist unter Deutschlands Bauern spürbar gebremst. Zwar stieg die Zahl der ökologisch bewirtschafteten Betriebe 2010 um 5,4 Prozent auf 22.174. Erstmals wird in Deutschland mehr als eine Million Hektar Fläche ökologisch bewirtschaftet - doch die Nachfrage ist nach Angaben des Bundes der Ökologischen Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) weit höher als das Angebot. Gemessen an den guten Perspektiven für den Absatz von Bio-Produkten sei die Zahl der Neuumsteller relativ gering.

Und wer ist dafür verantwortlich? Für den BÖLW ist es die Politik. Die schwarz-gelbe Bundesregierung stehe dem Thema Öko-Landbau ablehnend gegenüber und kürze die Förderung. Der Bio-Anteil an der deutschen Landwirtschaft beträgt 5,9 Prozent. Bio-Landwirt Maurer sieht aber noch eine andere Ursache für die Zurückhaltung: «Die Alternative heißt Biogas. Viele Betriebe setzen darauf.» Dank gesetzlich festgeschriebener Einspeisevergütungen für Strom aus Biomasse würden viele Landwirte sich hier ein Standbein suchen.

Diese Beobachtung hat auch Werner Wolfrum gemacht. Im Landwirtschaftsamt Bamberg berät er «Umsteller» in ganz Franken, also Landwirte, die ihre Produktion biologisch gestalten wollen. Eine Biogasanlage zu betreiben - der Anbau von Energiepflanzen und die anschließende Vergärung in der Anlage - sei derzeit oft rentabler als die ökologische Nische. «Der Anlass zur Umstellung ist oft die wirtschaftliche Situation», erläutert Wolfrum. «Niemand will nach der Umstellung weniger verdienen als vorher.»

Die Preise in der konventionellen Landwirtschaft seien derzeit gar nicht einmal so schlecht. Deshalb gebe es momentan kaum Interesse, Betriebe umzustellen. Der Preisunterschied zwischen konventioneller und ökologischer Milch betrage derzeit gerade einmal sieben Cent pro Kilo.

Nach BÖLW-Angaben gab es 2008 für Öko-Milch noch 15 Cent mehr. Und der Produktionsaufwand ist deutlich höher: Auf 7.000 bis 8.000 Kilogramm Milch jährlich kommt eine Kuh im Stall des Gutes Schönhof. «Eine leistungsstarke Kuh in einem konventionellen Betrieb bringt es auf 10.000 Kilo», rechnet Maurer vor. Die Schrotmischung bringen er oder einer der vier Angestellten den Tieren persönlich vorbei, der Futtermischwagen steht meist still.

Verhält sich eine der insgesamt 80 Milchkühe auffällig, so ist man sofort alarmiert. «Das Verhältnis Mensch-Tier passt», ist sich Maurer sicher. Ist ein Tier krank, kommen vor allem homöopathische Mittel zum Einsatz. Kühe im Bio-Stall werden älter als in konventionellen Betrieben.

Gerade die Zeit der Umstellung auf Öko-Standards ist für die Betriebe schwierig und mit finanziellen Risiken verbunden. Rund zwei Jahre muss der Landwirt kalkulieren, bis er von Verbänden wie Bioland, Naturland oder Demeter als ökologischer Betrieb anerkannt wird. Er hat höheren Aufwand, verdient aber nicht mehr Geld. In Bayern gibt es für diesen Zeitraum Ausgleichszahlungen über das Kulturlandschaftsprogramm (Kulap), wie Berater Wolfrum erläutert. Baden-Württemberg oder Schleswig-Holstein hätten sogar massiv Zuschüsse gekürzt, wie Thomas Dosch vom BÖLW-Vorstand klagt. (dpa)
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