Und so kamen knapp drei Monate vor der
Bundestagswahl Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), SPD-Chef Franz Müntefering und der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle zum Deutschen
Bauerntag nach Stuttgart. Doch Merkel brachte kein Wahlgeschenk mit, obwohl der frisch wiedergewählte Bauernpräsident Gerd
Sonnleitner ein Extra-Konjunkturprogramm von ihr einforderte. Die Bauern fühlen sich untergepflügt von der
Wirtschaftskrise, aber auch von der Talfahrt der Milchpreise. Ihnen reicht es nicht, was Merkel bisher an Hilfe angeboten hat.
«Wir Bauern ackern für Deutschland, gegenwärtig aber mit viel Frust und Groll», sagt Sonnleitner. Er spricht von einem Aderlass, weil die Landwirte nach seinen Worten jeden Monat 800 Millionen Euro weniger einfahren als zu normalen Zeiten. «Aus dieser Misere müssen wir heraus.» Merkel zeigt Verständnis in ihrer Rede vor den Bauern. Sie lobt die Landwirte als Rückgrat der ländlichen Regionen und dankt ihnen für ihre Arbeit. Merkel zählt auf, welche Hilfen schon zugesagt wurden: volle Ermäßigung bei der Agrardieselsteuer für zwei Jahre, Kredite zum Vorziehen der EU-Beihilfen, mehr
Absatzförderung, der Ausbau von schnellem Internet.
Aber die Kanzlerin macht keine neue Versprechungen. Dafür ist die Haushaltslage zu angespannt, dafür hat die Krise schon für zu viele neue Schulden gesorgt. Doch weil die Bauern eine wichtige Klientel für die Union sind, schlüpft Merkel in die Rolle der CDU-Chefin und schließt eine Verlängerung der Entlastung beim Agrardiesel nicht aus.
«Jetzt rede ich mal eine Sekunde als Parteivorsitzende. Ich würde mich dafür einsetzen, dass das verlängert wird.» Sie weiß, dass die deutschen Bauern mit rund 25 Cent noch immer deutlich mehr Steuern für den Liter Diesel zahlen als viele europäische Nachbarn - in Frankreich ist es nicht mal ein Cent. So hat Merkel den Bauern doch noch ein wenig Hoffnung gemacht. Der Wunsch-Koalitionspartner zieht mit: Westerwelle fordert «faire Wettbewerbsbedingungen» in Europa.
Sonnleitner hat wohl nicht unbedingt mit handfesten Versprechungen gerechnet. Er ist ohnehin erleichtert, denn seine Bauern haben sich trotz großer Kritik kleinerer Verbände hinter ihn gestellt. Vor allem der Bundesverband Deutscher
Milchviehhalter wirft ihm vor, die Interessen der Milchbauern nicht genug zu vertreten. Sonnleitner wurde mit dem Traum-Ergebnis von 97 Prozent wiedergewählt - mit so viel Zustimmung habe er selbst nicht gerechnet, gibt der 60-Jährige nach der Auszählung unumwunden und sichtlich erleichtert zu.
Das Wahlergebnis ist für Sonnleitner nicht bloß Rückendeckung, es ist auch ein Vorschuss für die künftige Arbeit. Nicht umsonst appelliert Merkel an die Bauern: «Lasst uns die einzelnen Interessen nicht gegeneinander ausspielen.» Und die CDU-Chefin, die ihre eigenen Erfahrungen mit der Vielstimmigkeit der Unions-Familie beim Thema Steuern gemacht hat, sagt im Wahlkampf auch noch etwas über die 97 Prozent für Sonnleitner: Die deutliche Zustimmung erinnere quasi an «sozialistische Ergebnisse», spiegele aber wohl nicht die verbandsinterne Kritik wider. (dpa)