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14.02.2014 | 11:42 | TTIP 
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US-Freihandelsabkommen - Europas Verheißung oder Untergang?

Berlin - Das geplante Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA ist für Fans von Verschwörungstheorien ein Fest. EU-Kommission und Politiker müssen nun den Bürgern Ängste nehmen um sie von den Vorteilen zu überzeugen.

Freihandelsabkommen
(c) Gary Blakeley - fotolia.com
Jobmotor und Garant für neues Wirtschaftswachstum, oder Einfallstor für skrupellose Konzerne nach Europa? Am geplanten Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union (EU) und den USA für 800 Millionen Menschen scheiden sich die Geister.

Was ist TTIP?

Die Abkürzung steht für «Transatlantic Trade and Investment Partnership», auf Deutsch: Transatlantisches Handels- und Investitionsabkommen. Seit Jahren im Gespräch, wird nun seit sechs Monaten konkret zwischen der Europäischen Union und den USA verhandelt.

Ziel ist es, Zölle, unsinnige Vorschriften oder Hürden für Investitionen abzubauen, damit der Handel zwischen den beiden Wirtschafts-Supermächten stärker floriert. So erheben die USA laut EU zum Beispiel beim Import auf Fleisch 30 Prozent Zölle und bei Milchprodukten bis zu 139 Prozent.

Wer verhandelt da überhaupt?

Die Interessen der Europäer vertritt die EU-Kommission, an der Spitze Handelskommissar Karel de Gucht, ein liberaler Belgier. Für die USA sitzt Michael Froman am Verhandlungstisch. Er wurde von US-Präsident Barack Obama damit betraut. Obama möchte, dass das Abkommen noch vor Ende seiner zweiten und letzten Amtszeit 2016 unter Dach und Fach ist. Experten halten das für fraglich, weil in Europa die Bedenken wachsen und es auch Widerstände im US-Kongress gibt.

Was kritisieren Verbraucherschützer und Globalisierungsgegner?

Sie fürchten, dass in den ziemlich geheimen Gesprächen am Ende Lobby-Interessen der Konzerne überwiegen. Die Protestbewegung Campact hat im Internet schon über 340.000 Unterschriften gegen TTIP gesammelt. Die Liste der Vorwürfe ist lang: Ausländische Konzerne könnten EU-Länder vor nicht öffentlich tagenden Schiedsgerichten auf hohen Schadenersatz verklagen.

In den Kommunen drohten Privatisierungen von Wasser, Bahn, Gesundheit und Bildung. Die US-Agrarlobby wolle in Europa Gen-Essen, Hormonfleisch oder mit Chlor desinfizierte Hühnchen verkaufen. Der Datenschutz werde ausgehöhlt. US-Energiekonzerne wollten in Europa mit Fracking Schiefergas fördern.

Wie reagiert die EU-Kommission darauf?

Brüssel ist aufgewacht. Ein Desaster wie bei ACTA - ein internationales Handelsabkommen gegen gefälschte Markenprodukte musste auf Druck von Bürgern und Internet-Aktivisten beerdigt werden - soll sich nicht wiederholen. Die Kommission schickt Spitzenbeamte auf Werbetour. Ihr Chefunterhändler Ignacio Garcia Bercero, ein freundlicher Spanier mit Vollbart und über 25 Jahren EU-Erfahrung, war gerade in Berlin. Er sagt: Hohe europäische Standards bei Lebensmittelsicherheit, gegen Hormone in Fleisch oder zum Schutz vor gefährlichen Chemikalien würden niemals aufgegeben.

Kommen die Verhandlungen voran?

In der kommenden Woche finden Gespräche in Washington statt, am 10. März startet dann die vierte Runde in Brüssel. Die Stimmung könnte besser sein. Die Amerikaner sind verschnupft, weil die EU das Kapitel über den Investitionsschutz von Unternehmen nach den scharfen Protesten auf Eis gelegt hat.

Die Europäer wiederum können das skrupellose Ausspähen ihrer Politiker und Regierungen durch den US-Geheimdienst NSA nicht völlig ausblenden, obwohl Datenschutz und NSA-Affäre in den Handelsgesprächen offiziell gar kein Thema sind. Möglich ist, dass Obama bei seinem Besuch in Brüssel am 26. März sich noch einmal persönlich für TTIP stark macht und das einen Schub auslöst. EU-Verhandler Bercero sagt, beide Seiten schenkten sich nichts: «Auch die USA vertreten knallharte wirtschaftliche Interessen.»

Wie soll der Streit um den Schutz von Investitionen gelöst werden?

Das ist ein dickes Brett. Die Sorge ist groß, dass US-Konzerne, wenn ihnen irgendwelche Gesetze nicht passen und Geschäfte in Europa vermiesen, vor ausländischen Schiedsgerichten auf Milliarden-Schadenersatz klagen. Die EU-Kommission will diesen Teil des Abkommens ganz präzise formulieren und öffentlich diskutieren, damit es keine böse Überraschung gibt. Die Klauseln sollen nur Fälle betreffen, in denen eine ausländische Firma nachweisbar diskriminiert oder wenn eine Firma im Ausland ohne Entschädigung enteignet wird. Auch könnte die EU auf die Einführung von Berufungsverfahren pochen, damit ein Schiedsgericht nicht unwiderrufbar Fakten schafft.

Wenn alles gut geht, was haben die Bürger von TTIP?

Glaubt man EU, Bundesregierung und Industrie, werden auf beiden Seiten des Atlantiks die Unternehmen stärker wachsen und viele neue Arbeitsplätze entstehen. «Allein in Deutschland erwarten wir bei erfolgreichem Abschluss mehr als 100.000 Arbeitsplätze, vor allem im Mittelstand», glaubt DIHK-Präsident Eric Schweitzer. Die EU-Kommission nennt keine Hausnummern: «Wir sagen nicht, wie viele Jobs entstehen können.» Die Wirtschaftsleistung in der Europäischen Union könnte jährlich um etwa 0,5 Prozent zulegen, meint Chefunterhändler Bercero. (dpa)
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Kommentare 
reiner tiroch schrieb am 19.02.2014 20:22 Uhrzustimmen(34) widersprechen(56)
Geheimverhandlungen laufen! wenn soviele politiker für das Abkommen sind, frage ich mich was die 600 US-lobbyisten dafür zahlen. kommt dann der Hamburger aus menschlichem Kot, neu erfunden daher? ACHTUNG! kein Scherz! (proteinreiche-fakal-nahrung) ich meine ja nur, da keine Kennzeichnungspflichten sind. ich freue mich auf diese neue Welt incl. dem Fracking, gell?
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