Oberbürgermeister Dieter Reiter (
SPD) sagte am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur, dass man über Zufahrtsbeschränkungen für Dieselautos nachdenken müsse - «wenn es keine andere Lösung gibt, und ich kenne gerade keine». Die Bundesregierung sieht wegen zu hoher Emissionen Handlungsbedarf, ist aber uneins über mögliche kommunale Fahrverbote. Wirtschaftsverbände wandten sich gegen großflächige Beschränkungen.
Hintergrund der Überlegungen in der bayerischen Metropole sind neuere Abgas-Messwerte, die die «Süddeutsche Zeitung» vorgelegt hat, wie Reiter sagte. Der von der EU zugelassene Mittelwert für die Belastung durch giftiges Stickstoffdioxid wird demnach nicht nur auf den großen Ring- und Einfallstraßen regelmäßig überschritten, sondern auch in weit davon entfernten Gegenden. Von einem Fahrverbot betroffen wären laut «SZ» - je nach angewandter Abgasnorm - zwischen 133.000 und 170.000 Autos. Insgesamt haben 295.000 in München zugelassenen Autos Dieselmotoren. Reiter erklärte, er habe seine Verwaltung gebeten, kurzfristige Maßnahmen zur Reduzierung der Schadstoffbelastung auszuarbeiten.
Handwerk, Industrie und Handel in Bayern lehnten die Pläne ab. Waren könnten nicht mehr geliefert werden, mit vielen zusätzlichen Pendlern wäre der öffentliche Nahverkehr überfordert, warnten die Verbände. Der Verband der Automobilindustrie erklärte, es gebe «intelligentere und schneller wirkende Maßnahmen» als temporäre oder dauerhafte Fahrbeschränkungen - etwa die Verbesserung des Verkehrsflusses. Die Umweltorganisation
Greenpeace begrüßte die Überlegungen: «Endlich ist einem Bürgermeister die Gesundheit der Menschen wichtiger als freie Fahrt für schmutzige Diesel.»
Das
Bundesumweltministerium betonte, es gehe um das Gebot einer sauberen Luft. «Fahrverbote sind das allerletzte Mittel, was eine Stadt anwenden kann und notfalls auch anwenden muss», sagte ein Sprecher in Berlin. Das Verkehrsministerium bekräftigte dagegen, Fahrverbote seien ein falscher politischer Ansatz. Wirkungsvoller wäre es, Fahrzeuge, die wie Busse und Taxen ständig in Innenstädten unterwegs sind, auf alternative Antriebsformen umzustellen.
Die zuständigen Minister des bayerischen Kabinetts wollen sich am Sonntag mit dem Thema beschäftigen. «Ziel ist es, ein
Maßnahmenpaket vorzulegen, damit die zum
Gesundheitsschutz notwendige Absenkung der Stickstoffdioxidwerte erreicht und gleichzeitig aber auch Berufs-, Versorgungs- und Individualverkehr gewährleistet werden», sagte der Sprecher der Staatskanzlei, Rainer Riedl, am Mittwoch auf Anfrage.
Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im bayerischen Landtag, Ludwig
Hartmann, forderte angesichts der
Diskussion um Dieselfahrverbote «mehr Fahrradwege, mehr Trams, mehr Busse, mehr U-Bahnen», die für saubere
Luft in München sorgen würden. Der Grünen-Landesvorsitzende Eike Hallitzky erklärte, dass es dem Versagen von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) geschuldet sei, dass jetzt die einzelnen Bundesländer und Kommunen Einzellösungen für ihre Städte finden müssten.
Beim Vorgehen gegen zu hohe Abgaswerte von Diesel-Fahrzeugen in den Innenstädten gibt es bundesweit verschiedene Ansätze. In Stuttgart soll es von 2018 an Fahrverbote an Tagen mit besonders hoher
Luftverschmutzung geben - aber nur als allerletztes Mittel, wenn andere Instrumente wie Nachrüstungen an Diesel-Autos nicht wirken. Hamburg plant Fahrverbote auf Teilen zweier Hauptverkehrsstraßen.
In Köln, Düsseldorf und Dortmund stehen flächendeckende Fahrverbote für Dieselfahrzeuge derzeit nicht zur Diskussion. Die niedersächsische Landeshauptstadt Hannover prüft derzeit «alle Maßnahmen, die geeignet sind, den Stickstoffdioxidgehalt in der Luft zu reduzieren». In Potsdam wird die besonders belastete Zeppelinstraße derzeit so umgebaut, dass sie primär nur noch einspurig ist, mit Tempo 30 und Grüner Welle.