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18.11.2020 | 13:08 | Verbot unlauterer Praktiken 

Bekommen Landwirte fairere Bedingungen am Markt?

Berlin - Die Bezahlung kommt spät, Obst oder Gemüse wird einfach zurückgegeben, Bestellungen werden kurzfristig storniert: Gegen solche unfairen Handelspraktiken sollen Landwirte und kleinere Lebensmittel-Lieferanten künftig besser geschützt sein.

Verbote unfairer Praktiken
Handelsketten können ihren Lieferanten teils Geschäftsbedingungen diktieren, die alles andere als gerecht scheinen. Die EU geht dagegen vor, Deutschland geht sogar noch ein bisschen weiter. Agrarministerin Klöckner findet das fair - andere warnen vor «Überregulierung». (c) proplanta
Ein neues Gesetz dazu soll in Deutschland spätestens im kommenden April in Kraft treten. «Goliath zähmen und David stärken», das sei das Ziel, sagte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) nach dem Kabinettsbeschluss am Mittwoch in Berlin. Bundestag und Bundesrat müssen zustimmen, damit die neuen Regeln greifen können.

Die Bundesregierung setzt mit ihrem Gesetzentwurf eine Regelung der EU um, geht jedoch teils noch darüber hinaus. Während der Bauernverband das begrüßte, warnte der Handelsverband HDE vor einer «Überregulierung» - damit gebe es weniger Wettbewerb, was zu höheren Verbraucherpreisen führen könne.

Die Konzentration im Lebensmittel-Einzelhandel sei so groß, dass es nötig sei, Bauern und andere Lieferanten wieder «auf Augenhöhe» zu bringen, sagte Klöckner. Die vier größten Unternehmen hätten 85 Prozent der Marktmacht. Lieferanten, die sich über unfaire Bedingungen beschwerten, würden bisher oft «ausgelistet» - also von der Liste der Geschäftspartner gestrichen. Also müssten sie Praktiken hinnehmen, die für sie betriebswirtschaftlich keinen Sinn hätten.

Untersagt werden soll unter anderem, dass verderbliche Produkte später als 30 Tage nach Lieferung bezahlt werden. Die kurzfristige Stornierung etwa von Obst- und Gemüselieferungen soll künftig nicht mehr am Zulieferer hängen bleiben, der bisher in so einem Fall teils kein Geld bekam und auch noch die Entsorgung der Ware zahlen musste. Händler sollen nicht mehr einseitig Lieferbedingungen diktieren können und müssen Vereinbarungen schriftlich bestätigen.

Bei Verstößen sollen Geldbußen von bis zu 500.000 Euro drohen. «Es ist traurig genug, dass man solche Praktiken überhaupt gesetzlich regeln muss, die doch eigentlich überhaupt nicht zu dem Bild des ehrbaren Kaufmanns passen», sagte Klöckner.

In zwei Punkten will die Bundesregierung noch weiter gehen als die EU. So soll es nicht mehr einseitig zulasten der Lieferanten gehen, wenn ein Händler sich verkalkuliert und bestellte Waren nicht verkaufen kann. Für Lagerhallen muss künftig der Händler bezahlen und darf für die Lagerung nicht mehr Geld vom Lieferanten nehmen.

Klöckner betonte, dass es dabei nicht nur um Bauern oder andere Direkterzeuger und die Handelskette gehe. «Unser Gesetz bezieht sich auf alle Lieferbeziehungen vom Bauern bis in den Supermarkt», sagte sie - also auch, wenn Zwischenhändler im Spiel seien. Damit reagierte sie auf Kritik etwa von Ex-Landwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne), Landwirte würden nicht ausreichend geschützt, da nur wenige von ihnen direkte Geschäfte mit dem Einzelhandel machten.

Der Schutz soll für alle Unternehmen der Lebensmittelerzeugung- und Verarbeitung gelten, die einen Jahresumsatz bis 350 Millionen Euro haben. Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie und der Bauernverband forderten, diese Grenze aufzuheben.

Bauernpräsident Joachim Rukwied sagte: «Unlautere Handelspraktiken müssen endlich ein Ende haben.» Der Gesetzentwurf stärke die Position der Landwirte in der Lieferkette. Er kritisierte jedoch die maximale Buße von einer halbe Million Euro als zu niedrig.

Der Handelsverband HDE dagegen kritisierte, dass die Regierung über die EU-Vorgaben hinausgehe. Das sieht auch die FDP im Bundestag so: Das leiste ungleichen Wettbewerbsbedingungen innerhalb der EU Vorschub, sagte FDP-Agrarpolitiker Gero Hocker. «Je mehr Praktiken hierzulande verboten werden, desto größer ist der Anreiz für den Lebensmitteleinzelhandel, im Ausland auf Shopping-Tour zu gehen.»

Diese Bedenken teilt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) nicht. Der Entwurf sei «ein guter Kompromiss zwischen landwirtschaftlichen Erzeugern, sonstigen Lebensmittelherstellern und -lieferanten auf der einen sowie dem Lebensmitteleinzelhandel auf der anderen Seite», teilte er mit.
dpa
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