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03.08.2014 | 13:36 | Acrocomia-Palme 

Multitalent Palme könnte Ölnot beseitigen

Stuttgart-Hohenheim - Von Mexiko bis Argentinien ist die Acrocomia-Palme (Acrocomia aculeata) schon längst ein fester Bestandteil im Alltag der Menschen, nun soll sie auch in anderen Gebieten in den Tropen und Subtropen weltweit domestiziert werden.

Ölpalme
(c) proplanta
Denn die Früchte dieser Palme sind landwirtschaftliche Alleskönner: Sie enthalten Öle und andere Rohstoffe, die in der Lebensmittel-, Tierfutter-, Treibstoff- oder Kosmetikindustrie eingesetzt werden können.

Doch die Multifunktionspalme hatte bisher einen großen Nachteil: Es dauerte bis zu fünf Jahre, ehe die Samen zu keimen beginnen. In Kooperation mit der katholischen Universität von Paraguay in Hohenau/Itapúa hat die Universität Hohenheim eine Methode entwickelt, um den Keimprozess zu beschleunigen und die Acrocomia-Palme damit auch landwirtschaftlich nutzbar zu machen. Weitere Informationen siehe auch unter www.acrocomiasolutions.com

Die stachelige Acrocomia aculeata gehört mit ihren durchschnittlich 15 Metern Höhe nicht gerade zu den Riesen unter den Palmen. Doch ihre Golfball-großen Früchte sollen zukünftig für die Menschheit einen großen Nutzen bringen.

„Vor gut 20 bis 30 Jahren begann man sich über die Endlichkeit fossiler Energien und damit gleichzeitig über die Produktion von regenerativen Energien aus der Landwirtschaft Gedanken zu machen“, erklärt Dr. Dieter Oberländer, Koordinator für Acrocomia-Forschung am Institut für Agrartechnik der Universität Hohenheim.

„Damals konzentrierte man sich beispielsweise auf Zuckerrohr und Mais für die Ethanolproduktion und die afrikanische Ölpalme und Raps für Biodiesel.“ Doch das Wachstum der Weltbevölkerung machte diese Pflanzen als Nahrungsmittel zunehmend wichtiger und stellte ihren Einsatz für andere Zwecke im Lauf der Zeit immer mehr in Frage, nicht zuletzt auch aufgrund der ökologischen Auswirkungen eines großflächigen Anbaus in Monokultur.

Robust, weit verbreitet und vielfältig anwendbar



Eine Herausforderung an die Landwirtschaft ist es, künftig auf begrenztem Raum und in nachhaltiger Weise Rohstoffe zu produzieren, die Grundlage sind für quantitativ und qualitativ hochwertige Nahrungsmittel, Energie und industrielle Verwertung. Ideal wären Pflanzen, die all dies liefern und auch noch auf weniger fruchtbaren Böden wachsen können.

„Mit der Acrocomia aculeata oder Acrocomia-Palme haben wir eine Pflanze, die diesem Ideal sehr nahe kommt“, sagt Dr. Thomas Hilger vom Institut für Pflanzenproduktion und Agrarökologie in den Tropen und Subtropen an der Universität Hohenheim. „Sie wächst nicht nur auf weniger fruchtbaren Böden hervorragend, die beispielsweise für den Sojaanbau ungeeignet sind, sie erträgt auch bis zu 5 Grad, ohne dass die Ernte beeinflusst wird. Damit kann sie in den Tropen und Subtropen bis zu 30 Grad nördlich und südlich des Äquators angebaut werden.“

Diese Palme hat aber noch mehr zu bieten, weiß auch Dr. Barbara Ramsperger, Geschäftsführerin des Tropenzentrums der Universität Hohenheim: „Anders als die afrikanische Ölpalme, für deren Anbau große Flächen des Regenwalds abgeholzt werden, kann der Anbau der Acrocomia-Palme zur Wiederaufforstung und zur Diversifizierung der Landnutzung beitragen und langfristig CO2 binden. Ein großer Vorteil sind insbesondere auch ihre vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten in der Lebensmittel-, Tierfutter-, Biodiesel- und Rohstoffindustrie.“

Die Acrocomia-Palme: Tank UND Teller



Sowohl aus der Pulpa, dem senfgelben Fruchtfleisch als auch aus dem Kern lassen sich Öle auspressen. Das gewonnene Pulpaöl eignet sich als Biodiesel, für Seifen oder in der Chemieindustrie. Das Kernöl findet seinen Einsatz in der Lebensmittelproduktion, aber auch als Basis für Kosmetika oder als Pharmarohstoff.

Der nach dem Auspressen übrigbleibende, sogenannte Presskuchen der beiden Öle kann zu Tierfutter und organischem Dünger verarbeitet oder in der Biogasproduktion eingesetzt werden. Die harte Außenschale findet dort ebenfalls oder als Brennmaterial bzw. als Rohstoff für Aktivkohle Verwendung.

Die Hohenheimer Methode lässt die Keime sprießen



In Paraguay nutzen die Menschen die vielfältig einsetzbare Frucht der Acrocomia-Palme schon seit vielen Jahren, vor allem als Nahrungsmittel. Doch warum konnte sich dieser Alleskönner bisher nicht auch wirtschaftlich durchsetzen?

„Das größte Problem war die lange Zeit, die die Samen brauchen um zu keimen“, erklärt Dr. Hilger. „Das kann bis zu 5 Jahren dauern. Weitere 4 bis 5 Jahre braucht die Palme um Früchte zu tragen.“

Diesem Problem sind die Wissenschaftler der Universität Hohenheim in Zusammenarbeit mit der katholischen Universität von Paraguay in Hohenau/Itapúa nachgegangen. Mit Erfolg, wie Dr. Oberländer berichtet: „Durch diese Methode haben wir es geschafft, dass 50 Prozent der zwei Jahre alten Samen bereits nach 6 Wochen keimen. Das ist ein großer Schritt nach vorne für den verstärkten Anbau dieser Palme.“

Eigener Biodiesel aus Pulpaöl statt Importdiesel



Ist die Palme ausgewachsen, trägt sie jährlich Früchte, und das bis zu 70 Jahre lang. Ein Vorteil, vor allem für die Kleinbauern, so Dr. Ramsperger: „So können wir nicht nur durch Selektion, Klonierung, Anbauoptimierung, Düngung und verbesserte Erntemethoden die Erträge und die Qualität erhöhen. Der Anbau der Acrocomia-Palme kann auch die sozialen Bedingungen bei Kleinbauern berück-sichtigen, da sie – einmal ausgewachsen – bei geringem Aufwand viele Jahre hohe Erträge ermöglicht.“

Pro Hektar bringen es die Früchte auf einen Ertrag von 20 Tonnen. Daraus können 2 Tonnen Pulpa- und 1 Tonne Kernöl gepresst werden. Das hochwertigere Kernöl kostet bis zu 1.200 US Dollar die Tonne, das Pulpaöl dagegen rund 400 US Dollar die Tonne.

„Alleine mit dem Pulpaöl, das sich zu Biodiesel verarbeiten lässt, könnte Paraguay nach einigen Jahren seinen kompletten Dieselbedarf abdecken“, so die Prognose von Dr. Hilger. „Nun kommt es darauf an die Anbau- und die Verarbeitungsmethoden immer weiter zu verbessern und die Acrocomia-Palme weiter zu domestizieren.“

Die anfängliche Euphorie in Bezug auf die Produktion regenerativer Energien aus der Landwirtschaft hat sich ernüchtert. Daraus ergibt sich die Chance für eine noch sehr junge Wissenschaft, sich entsprechend auf eine neue Situation einzustellen. Dies schließt besonders die Optimierung bestehender Pflanzen unter Berücksichtigung veränderter Forschungsziele ein. Welche Möglichkeiten sich dabei ergeben, sollte an diesem Beispiel verdeutlicht werden. (PD)
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