Nordrhein-Westfalen, ebenfalls rot-grün regiert, möchte auch 2050 noch Braunkohle abbauen.
Natürliche Gegebenheiten und ökonomische Zwänge diktieren das Tempo der Energiewende in Deutschland maßgeblich mit. Sie hat zuletzt beträchtlich an Fahrt verloren. Ob Wind- und Bio-Energie oder Photovoltaik - die «Erneuerbaren» sind mit eher ernüchternden Ausbauzahlen ins neue Jahr gegangen.
Und das ist nicht alles: «Bei der Einsparung von Energie oder der Umstellung im Wärme-, Industrie- und Verkehrsbereich liegt alles völlig im Argen», sagt Schleswig-Holsteins Energie- und Umweltminister Robert Habeck. Der 46-Jährige will aus dem Norden für frischen Wind sorgen; er strebt die Spitzenkandidatur der Grünen zur
Bundestagswahl an.
«Das Potenzial bei Wärme und Verkehr bleibt ungenutzt, hier ist Deutschland im Jahr 2015 kaum vorangekommen», rügt auch Geschäftsführer Hermann Falk vom Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE). «Es fehlt an ordnungspolitischen Vorgaben und Anreizen, um eine echte Wärme- und Verkehrswende einzuleiten.»
Dass die Große Koalition die Erneuerbaren mit gedeckelten Ausbauvorgaben an die Kandare nimmt, wurmt naturgemäß den BEE mit am meisten. Nach dessen Angaben kamen 2015 deutlich weniger Wind- und Photovoltaikanlagen dazu als 2014. Im jüngsten Klimaschutzindex von Germanwatch steht Deutschland weltweit nur auf Platz 22.
Heftig umstritten ist der weitere Kurs des Bundes. Das Bundeswirtschaftsministerium will das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit einer weiteren Reform «konsequent weiter in Richtung mehr Marktnähe und Wettbewerb ausgestalten». Damit soll die Ökostromförderung nicht mehr gesetzlich festgelegt, sondern über Ausschreibungen entschieden werden. Kritiker wie Habeck sehen damit kleinere Anbieter klar gegen über den großen benachteiligt und befürchten das Aus für Bürgerwindparks.
«Die Bundesregierung tritt beim Ausbau der erneuerbaren Energien durch die EEG-Änderungen in den letzten Jahren kräftig auf die Bremse, anstatt den Ausbau zu beschleunigen», bemängelt BEE-Geschäftsführer Falk. Er fordert auch einen vom Bund begleiteten Strukturprozess für die Kohleregionen in NRW und in der Lausitz. «Das Festklammern an der Kohle wird diesen Regionen massiv schaden, weil sie dadurch von Innovationen und Zukunftsbranchen abgekoppelt werden», sagt Falk. Der Ausbau der «Erneuerbaren» sei der zentrale Baustein für den zum
Klimaschutz erforderlichen Ausstieg aus der Kohle.
Die Kohle-Länder haben indes mit Dekarbonisierung nicht so viel am Hut. So ist in NRW die den Industriearbeitern verbundene
SPD gegen ein Kohleausstiegsgesetz. Auch mit dem Pariser Klimaschutzabkommen sieht sie keinen neuen Handlungsdruck. Immerhin: Den umstrittenen Braunkohletagebau Garzweiler II will die Landesregierung deutlich verkleinern.
Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sieht die Energiewende als «Fortschrittsmotor» - mit Ausbau der «Erneuerbaren», aber «ohne Strukturbrüche». Es sollen nicht Tausende Arbeitsplätze geopfert werden, die an der Kohle hängen. Ähnlich ist das in Sachsen und Brandenburg, wo in der Lausitz 8.000 Menschen im Tagebau und in Kraftwerken beschäftigt sind.
Im kohlefreien Norden sieht das naturgemäß anders aus. Dort rücken der Ökostrom-Großerzeuger Schleswig-Holstein und der Strom-Großverbraucher Hamburg mit dem Projekt «Norddeutsche Energiewende 4.0» noch enger zusammen.
2035 wollen beide Länder zu jeder Zeit zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien zurückgreifen können, wie der Kieler Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) angekündigt hat. «Wir wollen den grünen Windstrom vor Ort nutzen und veredeln, beispielsweise auch für Wärme zum Heizen.». Noch liegen beide Länder ziemlich weit auseinander: In Schleswig-Holstein haben erneuerbare Energien schon jetzt rechnerisch einen Anteil von bis zu 100 Prozent am
Stromverbrauch, im Stadtstaat Hamburg sind es 6 Prozent.