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22.05.2012 | 08:19 | Neuer Umweltminister 

Energiewende ist große Herausforderung für Peter Altmaier

Berlin - Die umwelt- und energiepolitischen Akzente von Peter Altmaier sind bisher überschaubar.

Energiewende
(c) proplanta
SPD, Grüne und Linke erinnern sich noch genau an einen Auftritt des bisherigen Geschäftsführers der Unions-Fraktion im Oktober 2010 im Umweltausschuss des Bundestags. Damals ging es um ein zügiges Durchziehen längerer Atomlaufzeiten.

Wie ein Rüpel habe sich Altmaier aufgeführt, klagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. Unter seiner «Rädelsführerschaft» sei eine kritische Debatte über die Verlängerung der Atomlaufzeiten verhindert worden.

Das ist passé, zumal der gewichtige CDU-Politiker eher als Kommunikator gilt, der den Kompromiss statt die Konfrontation sucht.

Nun muss der neue Bundesumweltminister, der am Dienstag in sein Amt eingeführt wird, den nach Fukushima beschlossenen Atomausstieg bis zum Jahr 2022 in die Spur bringen. Und zwar ähnlich schnell, wie vor gut eineinhalb Jahren die längeren Atomlaufzeiten im Parlament durchgesetzt wurden. Denn bei der Energiewende hakt es, wichtige Weichenstellungen sind notwendig.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich daher zuletzt wieder stärker in den Umbau der Energieversorgung eingeschaltet.

Der scheidende Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) hatte das Projekt zwar vorangetrieben, sich aber immer wieder auch in Debatten mit Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) aufgerieben.

In seinem Ministerium kann man nicht nachvollziehen, dass sein Agieren nun in ein schlechtes Licht zu rücken versucht wird. Öffentlich nachkarten will der wegen des CDU-Debakels in NRW von der Kanzlerin rausgeworfene Röttgen aber vorerst nicht.

Der 46-Jährige hatte den Atomausstieg vorangetrieben - und einen Neustart bei der bundesweiten Suche nach einem Atommüll-Endlager fast geregelt. Das Problem muss nun Altmaier abschließend lösen.

Als eine der ersten Amtshandlungen nimmt der 53-Jährige am Mittwoch am Energiegipfel Merkels mit den Ministerpräsidenten teil. Jedes Bundesland hat ein eigenes Energiekonzept, hinzu kommen unzählige Masterpläne auf regionaler Ebene. Dies muss alles unter einen Hut gebracht werden.

EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) mahnt, die Energiewende besser mit den europäischen Nachbarn abzustimmen - gerade auch beim Bau neuer Stromautobahnen. So ächzen Polen und Tschechien unter dem Windstrom aus Ostdeutschland, der oft in ihre Netze hineinpresst und sie zum Runterfahren ihrer Kraftwerke zwingt.

Es gibt bei der Energiewende gleich mehrere Herausforderungen, die Altmaier mit Rösler sofort angehen muss. Bisher gibt es zu wenig Investitionen in Netze und neue Gaskraftwerke, weil die Regierung es noch nicht schafft, mit klaren Rahmenbedingungen Planungssicherheit zu schaffen.

Neue konventionelle Kraftwerke sind nötig, damit bei einer Stilllegung der verbliebenen neun Atomkraftwerke auch bei Flauten und wolkenverhangenem Himmel stets genug Strom da ist.

Da sich solche Kraftwerke aber wegen der stark steigenden Ökostromproduktion kaum noch rechnen, könnten nicht nur neue Kraftwerke nicht gebaut werden. Sondern auch alte, unrentable Gas- und Kohlekraftwerke könnten stillgelegt werden.

Die Deutsche Energie-Agentur warnt vor Versorgungsengpässen, womöglich müssen die Bürger über eine neue Umlage dafür sorgen, dass sich Kraftwerke weiter rechnen. Oder aber es fällt die Vorfahrt in den Netzen für Sonnen- und Windstrom.

Ohnehin sind die Kosten ein großes Problem für den neuen Minister. Bei der Solarförderung muss wohl nachgebessert werden, um eine Einigung mit den Ländern zu erzielen. Dadurch drohen höhere Abgaben für die Bürger, die die Förderkosten über den Strompreis zahlen.

Die Verbraucherzentrale Bundesverband schlägt bereits vor, dass alles, was über die bisher pro Haushalt zu zahlende Ökostrom-Umlage hinausgeht, vom Staat übernommen wird.

Derzeit müssen bei einem Jahresverbrauch von 3.500 Kilowattstunden 125 Euro gezahlt werden.

Daneben hat Altmaier das Problem, dass Milliarden für Projekte der Energiewende fehlen könnten, etwa Gebäudesanierungen, um hier Energie einzusparen.

Die Projekte sollen vor allem über Einnahmen aus dem Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten finanziert werden. Doch der Preis pro ausgestoßener Tonne CO2 dümpelt seit Monaten unter zehn Euro.

Die Regierung hatte mit einem Preis von 17 Euro pro Tonne kalkuliert und will so bis 2015 Einnahmen von 10,5 Milliarden Euro erzielen - im schlimmsten Fall könnte es nur die Hälfte sein.

Eine Option wäre, den Preis durch eine Verschärfung der EU-Klimaziele wieder nach oben zu treiben. Doch das Kohleland Polen sperrt sich gegen eine Anhebung von 20 auf 30 Prozent weniger C02 bis 2020.

Ein für Montag geplanter deutsch-polnischer Umweltrat, bei dem es um Polens Blockade gegen das 30-Prozent-Ziel gehen sollte, wurde wegen Röttgens Rauswurf abgesagt.

«Die fehlenden Einnahmen aus dem Emissionshandel sind der Klotz am Bein der deutschen Energiewende», sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. Hier eine Lösung zu finden, auch daran werde man Altmaier messen. (dpa)
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