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14.05.2024 | 10:15 | Klimaschutz 

Genossenschaften nehmen Energiewende in eigene Hand

Leipzig - Klimakrise und geopolitische Risiken: Das fossile Zeitalter von Kohle, Öl und Gas neigt sich dem Ende. Immer mehr Länder möchten unabhängig von Energieimporten, vor allem aus autokratischen Staaten, werden.

Erneuerbare Energien
Immer mehr Menschen wollen sich aktiv an der Energiewende beteiligen. Doch einige Herausforderungen bleiben. Auch die anstehenden Wahlen in Sachsen sorgen für Verunsicherung. (c) proplanta
Doch einigen Menschen verläuft die grüne Transformation nicht schnell genug. Manche schließen sich in sogenannten Energiegenossenschaften zusammen, um die Produktion von erneuerbaren Energien voranzutreiben. Seit Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine Anfang 2022 und dem damit verbundenen Wegfall russischer Energieimporte haben diese Vereinigungen deutschlandweit an Zuwachs gewonnen - auch in Sachsen. «Ständig und stetig haben wir neue Mitglieder», sagt Matthias Gehling, Vorstandsmitglied der Energiegenossenschaft Leipzig.

Eine Studie des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbands (DGRV) bestätigt diesen Trend. Demnach wurden allein im Jahr 2022 bundesweit 36 neue Energiegenossenschaften gegründet. Zudem sei deren Mitgliederzahl in Deutschland innerhalb eines Jahres um 20.000 auf insgesamt 220.000 gestiegen.

Menschen, die sich in Energiegenossenschaften zusammenschließen, lassen beispielsweise Solaranlagen auf Gebäuden bauen und teilen sich dann die erzeugte Energie oder die Erlöse daraus. Dafür suchen sie nach Immobilieneigentümern, die ihr Dach zur Verfügung stellen. Die einzelnen Genossenschafter brauchen daher kein eigenes Haus. Ziel einer Energiegenossenschaft ist es, die Energiewende zu dezentralisieren und in die Hände der Menschen vor Ort zu legen. Bei der Vereinigung in Leipzig etwa kann jeder volljährige und geschäftsfähige Mensch Genossenschaftsmitglied werden, wenn er die Satzung der Genossenschaft anerkennt und mindestens zwei Anteile zu je 100 Euro erwirbt.

Nach Angaben der Bürgerwerke, dem Dachverbund der Energiegenossenschaften in Deutschland, gibt es in Bayern mit 205 und in Baden-Württemberg mit 155 die meisten Energiegenossenschaften in Deutschland. Sachsen liegt mit insgesamt 15 Genossenschaften auf Platz neun. Neben der Energiegenossenschaft Leipzig sind im Freistaat unter anderem die Dresdner Genossenschaft Neue Energien Ostsachsen (egNEOS), Bürgerenergie Erzgebirge oder die Energiegenossenschaft Chemnitz aktiv.

«Deutschland gilt als Vorreiter und hat mit insgesamt 877 Energiegenossenschaften ein relativ dichtes Netz an Energiegenossenschaften», erklärt Christopher Holzem, Sprecher der Bürgerwerke. Vor allem in den vergangenen Jahren habe sich einiges getan. «Anlagenpreise sind gefallen, «Fridays For Future» hat die Grundstimmung zur Energiewende verbessert, die Vergütungssätze des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes passen wieder besser zur Anlagen- und Strompreisen und Planungs- sowie Bürokratiehindernisse wurden reduziert.» Zudem fiel 2023 die Mehrwertsteuer für Kauf sowie Installation einer privaten Solaranlage weg. Auch die Energiekrise habe vielen Menschen und Unternehmen gezeigt, dass Unabhängigkeit durch Erneuerbare-Energie-Anlagen wichtig ist und sie dadurch Geld sparen sowie Planungssicherheit gewinnen können.

Luft nach oben gibt es aus Sicht der Genossenschaften dennoch. Mittlere Solaranlagen, die nicht dem Immobilieneigentümer gehören, werden der Leipziger Energiegenossenschaft zufolge bei der Vergütung im Vergleich zu kleinen Anlagen von Eigenheimbesitzern weiterhin benachteiligt. Demnach rechnen sich Energiegenossenschaften derzeit nur, «wenn man den Strom an möglichst einen Großverbraucher im Gebäude selbst verkaufen kann». «Daher verhandeln wir gerade größere Projekte», erklärt Gehling. Auf dem Dach des Hupfeld Centers etwa - dem ersten und größten Projekt der Energiegenossenschaft Leipzig - wird der erzeugte Sonnenstrom von den Unternehmen im Gebäude direkt vor Ort verbraucht. Der Rest wird ins Netz eingespeist.

Ob sich eine dezentrale und nachhaltige Energieversorgung auch in Zukunft rentiert, hängt von den politischen Entscheidungen auf europäischer und Bundesebene ab. Aber auch in der Landesregierung in Dresden werden die Weichen für die Energiewende vor Ort gestellt. Die Energiegenossenschaft Leipzig hofft, dass sie sich auch in Zukunft auf politische Unterstützung verlassen kann. Die anstehenden Landtagswahlen in Sachsen und die mögliche Umstrukturierung der Ministerien bereiten vielen Mitgliedern ein mulmiges Gefühl. «Wir haben Angst, dass das Umweltministerium in schlechte Hände gerät», betont Gehling.
dpa/sn
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