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06.02.2011 | 18:01 | Vogelschutz 

Windräder als Vogelschredder - Ein Mythos?

Berlin - Windräder heißen im Volksmund auch Vogelschredder. Umweltschützer brandmarken sie als Todesfallen für Milane, Seeadler oder die Wiesenweihe.

Windräder
Bilder von zerfetzten Seeadlern förderten nicht das Image für den grünen Strom. Das Bundesumweltministerium wollte es ganz genau wissen und stellte seit 2007 rund eine Million Euro für ein Forschungsvorhaben zur Verfügung, das nun abgeschlossen ist.

Die nackten Statistikzahlen zeigen, dass in den vergangenen Jahren 146 Rotmilane, 163 Mäusebussarde, 25 Wintergoldhähnchen, 87 Tauben und 30 Stockenten tot unter deutschen Windrädern lagen. Das ist erstmal nicht so viel. Doch sagt man Umweltschützern, das Probleme werde dramatisiert, ist der Aufschrei groß. So gebe es schließlich keinen Zwang zur Meldung von «Schlagopfern» und die Windanlagenbetreiber würden Fälle vertuschen, wird erwidert. Die Dunkelziffer sei enorm.

«In Deutschland leben 60 Prozent des Weltbestands der seltenen Rotmilane», sagt Projektleiter Hermann Hötker vom Michael-Otto-Instituts des NABU. Das seien nur noch etwas mehr als 10.000 Paare. Klar sei aber, dass keine Vogelart durch Windräder akut in ihrem Überleben gefährdet sei. Aber es gebe ein paar Maßnahmen, die das Risiko mindern könnten, etwa ein ausreichender Abstand von den Horsten und der Verzicht auf das Mähen zwischen den Windanlagen. «Dann verlieren zum Beispiel Hamster nicht die Deckung und sind besser vor Greifvögeln geschützt.» Man müsse die Nahrungssituation rund um Windanlagen «möglichst unattraktiv» gestalten.

Tobias Dürr führt beim brandenburgischen Landesamt für Umwelt die «Zentrale Fundkartei über Anflugopfer an Windenergieanlagen (WEA)». Er betont: «Ich halte die Fundzahlen unter den genannten Umständen schon für bemerkenswert hoch.» Die realen Zahlen seien sicher viel höher. Bei zwei modellhaft untersuchten Windparks «kamen wir auf eine Schlagopferrate von 1,4 beziehungsweise 3,3 Greifvögeln je WEA, was sehr hohe Werte sind», betont Dürr.

Das Haus von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hingegen sieht die Sorgen der Naturschützer entkräftet. Höhe, Mastgestaltung und Anzahl der Windräder seien für Greifvögel bisher anscheinend keine erhebliche Gefahr, bilanziert ein Sprecher die Ergebnisse. Im Ministerium dürfte man erleichtert sein, soll der Windstrom doch eine der tragenden Säulen der grünen Energiezukunft werden. Der Präsident des Bundesverbands Windenergie, Hermann Albers, betont: «Erfahrungen aus der Windenergiebetreiberpraxis legen den Schluss nahe, dass Windräder keinen bestandsgefährdenden Einfluss auf Greifvögel haben.»

In Deutschland sterben die meisten Vögel eher, weil sie gegen Gebäude oder Autos fliegen oder von Katzen gefressen werden. Dürr meint aber, dass in anderen Ländern mehr für den Vogelschutz getan werde. In Deutschland scheue man sich davor, auch wenn die EU-Kommission seit 2007 fordert, das Ausmaß unbeabsichtigter Tötungen etwa von Fledermäusen unter anderem an Windrädern zu überwachen.

Windenergie-Präsident Albers kritisiert die Systematik der Studien insgesamt: Ein grundsätzlicher Mangel sei die fehlende Betrachtung der Kollisionswahrscheinlichkeit und ob dadurch weniger Greifvögel in der Nähe von Windrädern siedeln. «Hochgerechnete oder vermutete Schlagopferzahlen können diesen Mangel nicht ausgleichen.»

Abgesehen von einer schwachen Marktentwicklung sind die Ergebnisse für die Windbranche die zweite gute Nachricht binnen weniger Wochen. In mehreren Regionen verhindert die Bundeswehr derzeit den Bau von neuen Windrädern, weil diese Radarsysteme stören würden. Das Verwaltungsgericht Hannover erlaubte per Eilbeschluss Ende 2010 gegen den Willen der Bundeswehr die Errichtung dreier Windanlagen bei Bad Pyrmont - ein Urteil, das durchaus Signalwirkung haben könnte. (dpa)
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