Bei Mario sind es Pflaumen und Kohlrabi. Die beiden Neunjährigen in der Dortmunder Stift-Grundschule sind begeisterte Obstesser: «Auf Obst habe ich immer Hunger. Weil es gesund ist und weil es gut schmeckt», sagt Mario. «Davon kann man essen, soviel man will», pflichtet ihm Erdem fröhlich bei - und nimmt sich ein weiteres Apfelstück. Seit zwei Jahren bekommen sie an jedem Schultag an ihrer Schule frisches Obst und Gemüse.
Wie den beiden könnte es bald zehntausenden Kindern in Deutschland gehen, nachdem der
Bundesrat am Freitag grünes Licht für ein sogenanntes Schulobstprogramm gegeben hat. Es sieht die kostenlose Verteilung von Obst und Gemüse an Schulen vor. Ziel ist, im Kampf gegen Übergewicht Kindern und Jugendlichen gesunde Essgewohnheiten zu vermitteln. Die EU finanziert die Umsetzung in Deutschland mit 20 Millionen Euro. Weitere rund 18 Millionen Euro sollen die Bundesländer beisteuern.
Die Dortmunder Stift-Grundschule nimmt seit zweieinhalb Jahren als eine von 15 in der Stadt an dem Projekt «Besser essen. Mehr bewegen» teil. Für Initiator Günter Eissing hat das Projekt Modellcharakter für die Umsetzung des Schulobstprogramms. Eissing ist Professor für Gesundheitsförderung und Verbraucherbildung an der TU Dortmund. Er und sein Team begleiten das Dortmunder Projekt wissenschaftlich. «Die Essgewohnheiten haben sich schon sehr geändert», sagt Schulleiterin Monika Hornig. Früher hätten die Kinder morgens mehr Süßigkeiten dabeigehabt. «Jetzt bringen sie auch schon mal Obst mit», erzählt die 57-Jährige.
Das gemeinsame Obst- und Gemüseessen ist fest in den Schulalltag integriert: In der Klasse 4b fängt das wöchentlich wechselnde «Obstteam» um 9.15 Uhr mit der Zubereitung an. Sparschäler, kleine Messer, Apfelteiler - die Ausrüstung steht bereit. An einem Extratisch schnippeln, schälen und schneiden zumeist drei Kinder Gurken, Äpfel, Möhren oder auch mal exotisches Obst wie eine Mango. In Plastikschüsseln wird das «Finger Food» dann herumgereicht, bis die Stückchen aufgegessen sind. Auch im Unterricht selbst kommt das Thema gesunde Ernährung immer wieder auf den Tisch - ebenso wie etwa die verwandten Themen Hygiene oder Zahngesundheit.
«Durch die Versorgung mit Obst und Gemüse können auch die Kinder erreicht werden, die aus sozial benachteiligten und bildungsfernen Familien stammen», sagt Eissing. Die Kinder lernten durch den Obstdienst auch, Verantwortung für die Klassengemeinschaft zu übernehmen. Für die Einführung in das Projekt erhielten die Schulen kostenlose Unterrichtsmaterialien sowie eine Grundausstattung für die Zubereitung. Aufwendig war bislang die Finanzierung. Neben Elternbeiträgen gab es Sponsorenläufe, Sammelaktionen und Gelder von Fördervereinen.
An der Stift-Grundschule mussten die Eltern pro Schuljahr 28 Euro bezahlen: für Obst, Gemüse und die Logistik. Würden die Fahrer nicht im Rahmen eines Qualifizierungsprogramms der AWO finanziert und gäbe es keine Großhandelspreise für das Obst, wären die Kosten noch wesentlich höher gewesen, so Eissing. In diesem Schuljahr fördert erstmals das NRW-Landwirtschaftsministerium das Projekt, so dass die Eltern nun nichts mehr bezahlen müssen. Eissing hofft nun, dass sein Modell Schule macht. Er geht davon aus, dass in Nordrhein-Westfalen rund die Hälfte aller knapp 3.300 Grundschulen in das Schulobstprogramm einbezogen werden können. (dpa)