Erst nach der Sommerpause solle über die Eröffnung eines Beihilfeverfahren befunden werden, sagte der Sprecher von EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia am Montag in Brüssel. Das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» hatte berichtet, dass bereits an diesem Mittwoch ein solches Verfahren eröffnet werden solle.
Die Bundesregierung gab sich unterdessen gelassen und betonte, die entsprechenden Regeln nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) stellten keine Beihilfe dar und seien mit EU-Recht vereinbar. Nun blieben die weiteren Beratungen der
EU-Kommission abzuwarten, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (
CDU) hatte am Wochenende in der ARD eingeräumt, dass es einige kritische Fragen aus Brüssel zum EEG gebe.
Durch die Ökostrom-Umlage finanzieren Stromkunden die gesetzlich festgelegten Vergütungssätze für Wind- und Solarparks, Biogasanlagen und Wasserkraftwerke mit. Energieintensive Unternehmen sind von der Umlage befreit.
Der Sprecher des zuständigen EU-Kommissars Almunia bestätigte zugleich, dass die Brüsseler Behörde derzeit überprüfe, ob die Befreiung überhaupt ein Fall von staatlicher Beihilfe ist. Solche Zuschüsse bedürfen der Genehmigung aus Brüssel.
«Diese vorläufige Prüfung ist noch nicht vorbei - und in jedem Fall sind keine Entwicklungen vor der Sommerpause vorgesehen», sagte er. «Das kann ich heute sagen.» Die Brüsseler Beamten haben schon seit längerem die weitgehende Befreiung der stromintensiven Industrie im Visier. Almunia hatte Ende Mai im Wirtschaftsausschuss des EU-Parlaments erklärt, seine Behörde werde «wahrscheinlich» eine Untersuchung eröffnen.
Eine Sprecherin des Bundesumweltministeriums wies darauf hin, dass es noch keine Entscheidung der Kommission gebe, ob sie ein Beihilfeverfahren eröffnen wolle. Man sehe dem weiteren Vorgehen Brüssels jedenfalls mit Gelassenheit entgegen. Darüber hinaus werde man sich nicht an Spekulationen beteiligen. Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums sagte, man habe Brüssel signalisiert, dass die Bundesregierung zu einer grundlegenden Reform des EEG bereit sei.
Sollte Brüssel tatsächlich eine unerlaubte Beihilfe feststellen, könnten Ausnahmen von der Abgabe nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) untersagt werden. Im schlimmsten Fall droht auch eine rückwirkende Korrektur. Energieintensive Betriebe müssten dann an den Staat Abgaben nachzahlen, die in den Vorjahren eingespart worden waren.
Vor solchen Folgen warnt die deutsche Industrie eindringlich: «Schon die Eröffnung eines Prüfverfahrens durch die EU-Kommission kann negative Auswirkungen auf die Investitionstätigkeit haben, da Unternehmen dann entsprechende Rückstellungen bilden müssen», erklärte Dieter Schweer, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI).
Auch beim europäischen Stahlverband Eurofer stößt das mögliche Aus der Entlastungen auf Empörung. Deutschland habe schon jetzt mit die höchsten Energiepreise in Europa, sagt Eurofer-Sprecher Axel Eggert. Zusatzbelastungen durch mögliche Nachzahlungen für die Industrie wären ein gravierender Wettbewerbsnachteil für den Standort Deutschland, der die schrumpfenden Gewinnmargen aufzufressen drohe.