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24.03.2008 | 11:17 | Biokraftstoffe 

Unrentabel, zu teuer und umstritten - Biosprit in der Krise

Magdeburg - Bei den Biosprit-Herstellern herrscht Katzenjammer: Viele Werke stehen nach Angaben des Verbands der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) vor dem Aus. Ihnen geht es wie dem Leipziger Biokraftstoff-Konzern Verbio, der fast 61 Millionen Euro in eine Bioethanol-Anlage im brandenburgischen Schwedt investierte.

Biodieseltankstelle
(c) proplanta
700.000 Tonnen grünen Sprits sollten hier jährlich erzeugt werden. Doch seit vergangenem Herbst stehen die Maschinen still. Wegen des gestiegenen Getreidepreises und der hohen Energiekosten lohne sich die Produktion nicht mehr, erklärt Vorstandschef Claus Sauter.

Noch nicht lange ist es her, da galt der Sprit vom Acker als Alternative mit Zukunft. Dank staatlicher Subventionen und hoher Rohölpreise boomte die Branche - vor allem in Ostdeutschland. Zwei Drittel der Biodiesel-Anlagen und die drei größten Ethanol-Fabriken stehen in den neuen Ländern. Im Jahr 2006 wurden der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe zufolge deutschlandweit 3,1 Millionen Tonnen Biodiesel und 340.000 Tonnen Bioethanol hergestellt. Damit wurde 4,6 Prozent des gesamten Kraftstoffverbrauchs abgedeckt.

Der Niedergang begann 2006, als die Bundesregierung eine Steuer von 6 Cent pro Liter auf reinen Biodiesel einführte. Anfang dieses Jahres stieg die Abgabe auf 15 Cent, bis 2012 sollen es 45 Cent werden. Die Hersteller entlastet zwar eine Beimischungsquote, nach der die Mineralölkonzerne Diesel mit fünf Prozent und Benzin mit etwa drei Prozent Biosprit versetzen müssen. Dies rette die Branche aber nicht, kritisiert VDB-Geschäftsführerin Petra Sprick. «Der Markt für reinen Biodiesel ist tot. Da dieser etwa 60 Prozent des Absatzes ausmacht, steht ein Großteil der Hersteller vor der Insolvenz.»

Biodiesel tankt Bauer Jürgen Recht seit der Steuererhöhung nicht mehr. «Der Preis ist zu hoch. Der Biosprit ist nicht so leistungsfähig, und deshalb muss man häufiger tanken.» Auch beim Anbau setzt der Vorsitzende der Agrargenossenschaft Ermsleben im Harz nicht mehr auf Biokraftstoffe. Früher, als die Bauern ihre Ernte kaum loswurden, sicherten feste Lieferverträge mit den Bioethanol-Werken in Zeitz und Zörbig (beide Sachsen-Anhalt) ihr Einkommen. Heute verkaufen sie an den, der am meisten zahlt - und das ist im Zweifel die Lebensmittelindustrie.

Für den Energiehunger in Deutschland reicht die Kraft vom Feld jedenfalls nicht aus. Nach Angaben der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe deckt der in Deutschland angebaute Raps den Bedarf der Biodiesel-Anlagen gerade mal zur Hälfte.

Die Hersteller müssen deshalb Rohstoffe importieren, was Umweltschützer wie Martin Hofstetter kritisieren: Länder wie Indonesien, Brasilien und Kolumbien rodeten riesige Flächen Regenwald, um Energiepflanzen anzubauen. Dazu schade das Düngen, der Transport um die ganze Welt und die energieintensive Produktion dem Klima. «Es ist ökologischer Schwachsinn und rechnet sich energetisch kaum», betont der Greenpeace-Experte. Seiner Ansicht nach müssen die Quoten für Biokraftstoff sofort abgeschafft werden. «Im Moment ist das so, dass eine unrentable Branche künstlich am Leben gehalten wird.»

Ob in Schwedt jemals wieder Bioethanol aus den Rohren läuft, ist ungewiss. «Keiner weiß zurzeit, wo es bei Ethanol hingeht. Was wir brauchen, sind konkrete Spielregeln», fordert Sauter. Diese könnte die von der Bundesregierung geplante Nachhaltigkeitsverordnung bringen, die in Deutschland nur noch ressourcenschonenden Biosprit zulassen soll. «Dann wird sich das Produkt durchsetzen, das die niedrigste CO2-Bilanz bei den günstigsten Kosten hat», sagt der Verbio-Chef. Für einige Hersteller wird das jedoch erst recht das Aus bedeuten. (dpa)
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