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28.06.2010 | 08:40 | Geflügelwirtschaft 

40 Jahre Putenmarkt in Deutschland: Vom saisonalen Erzeugnis zum ganzjährigen Küchenhit

Berlin - Wer in alten Statistiken nach Daten zum Putenmarkt sucht, wird in den Anfängen der Bundesrepublik Deutschland nur spärliche Informationen finden.

Pute
(c) herculaneum79 - fotolia.com
Denn die Bedeutung der hiesigen Putenerzeugung war sehr gering. 1950 gab es nach damaliger ZMP Schätzung nur 115.000 Mastputen in Deutschland. Bis 1970 wuchs der Bestand laut der damaligen Dezemberzählung des Statistischen Bundesamtes auf 844.00 Stück an. Zum Vergleich: Bei der neuesten verfügbaren Geflügelzählung vom Mai 2007 waren in Gesamtdeutschland immerhin schon 10,892 Mio. Puten erfasst.

Seit den 1990er-Jahren wurde die Viehzählung im Bereich Geflügel stark ausgedünnt. Mit wachsenden Beständen nahm auch die deutsche Bruttoeigenerzeugung von Puten zu. Angesichts steigender Mastgewichte wuchs sie sogar noch deutlicher. Vergrößerten sich die Bestände zwischen 1990 und 2000 um 117%, so stieg die Bruttoeigenerzeugung um 152%.

Man kann die Entwicklung der hiesigen Putenerzeugung seit 1950 grob in vier Phasen einteilen. In Phase 1, von 1950 bis Mitte der Siebzigerjahre, gab es zwar einen kontinuierlichen Aufwärtstrend, dennoch war die Bruttoeigenerzeugung innerhalb von 25 Jahren nur von 400 t auf 17.000 t gewachsen. Putenfleisch war in den 1950er-Jahren noch ein kleiner Produktionszweig. Selbst die Enten- und Gänseproduktion war grösser. Erst seit 1965 überholten die Puten die Gänseerzeugung.

Phase 2 setzte etwa in der Mitte der Siebzigerjahre ein. Damals begann sich die Putenhaltung in Deutschland stärker zu etablieren. Im Zeitraum von 1975 bis 1989 wuchs die Bruttoeigenerzeugung etwa um das Sechsfache auf 103.300 t.

Als Phase 3 kann man die Zeit zwischen 1990 bis zur Jahrtausendwende bezeichnen. In diesem Zeitraum beschleunigte sich das Wachstum deutlich. Im Schnitt legte die Erzeugung in diesen zehn Jahren jährlich um rund 19.000 t zu. Ab 1990 beziehen sich die Daten auch auf das vereinigte Deutschland. Für die Jahre zuvor liegen nur die Daten aus der alten Bundesrepublik Deutschland zugrunde. Daher ergab sich von 1989 auf 1990 ein recht starker Anstieg.

In der DDR wurden im Jahr 1989 in Lebendgewicht 15.067 t produziert. Seit dem Jahr 2000 (Phase 4) setzte am Putenmarkt eine Konsolidierungsphase ein. Die Produktion bewegt sich auf hohem Niveau, nimmt aber nicht mehr so rasant zu. 2006 und 2007 waren sogar Einbußen zu verzeichnen. Diese wurden aber rasch wieder überwunden.

Erste Angaben zum Pro-Kopf-Verbrauch liegen aus dem Jahr 1972 vor. Mit 0,6 kg pro Kopf der Bevölkerung lag man auf einem Level, das heute Suppenhennen einnehmen. Seit dieser Zeit hat sich der Verbrauch verzehnfacht. Seit der Jahrtausendwende sind keine kontinuierlichen Zuwächse mehr zu verzeichnen. 2009 sank der Verbrauch von Putenfleisch nach vorläufiger Berechnung um 200 g auf 6,0 kg pro Kopf. Das Rekordergebnis wurde im Jahr 2004 mit 6,5 kg erzielt.

Wichtig für die Entwicklung des Putenmarktes war die Weiterentwicklung der Produktpallette weg vom reinen Saisonprodukt. Wurden Puten zunächst noch überwiegend als ganze Puten in der kalten Jahreszeit speziell zu Weihnachten verspeist, brachte die Zerlegung die große Wende. Putenfleisch war nun vielseitig einsetzbar und machte dem Schweinefleisch Konkurrenz. Gerade die Substitutionsmöglichkeit z.B. zu Schweineschnitzeln öffnete dem Putenfleisch die Küchen der Deutschen.

Die Einführung des Putenfleischs am deutschen Markt war allerdings kein Selbstläufer. Putenfleisch stand und steht immer in Konkurrenz zu anderen Fleischarten. In den letzten Jahren hat auch der Hähnchensektor stärker auf die Teileproduktion gesetzt. Damit sind Hähnchenteile eine direkte Alternative zum Putenschnitzel geworden.

Obwohl der Verbrauch in den zurückliegenden Jahren teils nachgab, erfreut sich Putenfleisch in Deutschland verglichen mit anderen EU-Ländern einer großen Beliebtheit. Die 6,0 kg, die laut Versorgungsbilanz hierzulande 2009 pro Kopf verbraucht wurden, lagen 76% über dem von der MEG Marktinfo Eier & Geflügel ermittelten EU-Schnitt von 3,4 kg. Nur noch in wenigen anderen Ländern erreicht der Pro-Kopf-Verbrauch das deutsche Niveau. Hier wäre Österreich mit vergleichbaren Konsumgewohnheiten zu nennen (6,2 kg im Jahr 2009). Ein höherer Verbrauch errechnet sich nur noch für die USA mit 7,7 kg pro Einwohner.

Seit 1976 werden die Erzeugerpreise systematisch erfasst. Die ZMP Zentrale Markt- und Preisberichtsstelle hat die Erhebung an die wachsenden Schlachtgewichte mehrmals angepasst. Vor 1976 wurden nur die Erzeugerpreise für Saisonputen zeitweise erfasst. Züchterischer und technischer Fortschritt machten eine effizientere Putenmast möglich. Allerdings konnten die Putenmäster in Deutschland anfangs noch Pioniervorteile für sich in Anspruch nehmen. Die Preiserhöhung im Jahr 2007/2008 ist auf die damaligen exorbitant gestiegenen Futterkosten zurückzuführen. Dieser Entwicklung wurde bei den damaligen Verhandlungen über die Auszahlungspreise für Lebendware zwischen Schlachtereien und Mästerorganisationen Rechnung getragen.

Der Putenmarkt ist seit jeher stark auf Frischware fixiert. Über 90% der Gesamtschlachtmenge verlassen die Schlachtstätte nicht gefroren. Die Bedeutung der Frischware wird dabei sicherlich noch zulegen. Denn nach der neuesten von der EUKommission beschlossenen Änderung der Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch darf als Frischware nur noch Ware bezeichnet werden, die zu keinem Zeitpunkt zuvor gefroren war.

Die Ausrichtung auf Frischware findet sich auch auf Ladenstufe wieder. Die von der GfK Gesellschaft für Konsumforschung ermittelten Haushaltskäufe belegen, dass 2009 rund 95% der Käufe als frische Teile gekauft wurden. 2009 stiegen die Haushaltskäufe an frischen Putenteilen um fast 10% auf 86.158 t.

Positiv beeinflusst wurde die Absatzmenge durch die Preisstrategie der Discounter. Die „Preisoffensive“ begrenzte aber die Möglichkeiten zur Preisanhebung auf den vorgelagerten Vermarktungsstufen. Insgesamt forderten die Discounter mit ihrem Einstieg in die Vermarktung von frischem Fleisch den Absatz. Etwa ab 2003 nahm dieses Engagement zu. Dadurch stieg natürlich auch die Bedeutung der Discounter für den Absatz von frischen Putenteilen.

Im Jahresdurchschnitt 2009 konnten die Discounter ihren Anteil auf 49,8% steigern. Im Jahr 2008 waren es 43,4% und 2004 nur 30,6%. Zweitwichtigste Einkaufsstätte waren 2009 die SB-Warenhauser mit 20,3%. Die LEH-Vollsortimenter brachten es auf 18,8%. Im ersten Quartal 2010 beliefen sich die Käufe von Putenfleisch insgesamt auf 23.058 t, das waren 2% mehr als in den ersten drei Monaten des Vorjahres. Davon waren 21.596 t frische Putenteile. (zdg)
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