Erstmals wurden die ursprünglich in Nordamerika beheimateten Tiere 2006 auf den Märkten der Hauptstadt Antananarivo angeboten - sie waren illegal ins Land geschmuggelt worden. Doch seither haben sich die Flusskrebse mit dem braun marmorierten Panzer, in der Landessprache «Foza orana» genannt, massenhaft vermehrt.
Der Marmorkrebs hat sich inzwischen in acht der 22 Regionen der Insel zu einer Plage auf den Reisfeldern, in Bächen, Flüssen und Seen entwickelt. «Unsere sieben endemischen Krebsarten sind von den eingeführten gefräßigen Artgenossen unmittelbar bedroht», warnt Prof. Noromalala Raminosoa von der tierbiologischen Abteilung der Universität Antananarivo. «Die Krebse sind eine nationale Gefahr, wenn nicht dagegen vorgegangen wird.»
Bei den Süßwasserfischen sei bereits ein drastischer Rückgang in jenen Regionen mit extrem hohem Krebsanteil zu verzeichnen. Landwirt Rasoahelinoro aus einem kleinen Dorf bei Itaosy nahe der Hauptstadt verzeichnet laut der Zeitung «Midi» seit dem massenhaften Auftreten der Krebse bei seiner Fischzucht gegenüber 2009 einen Rückgang um 75 Prozent.
Die Marmorkrebse, wissenschaftlich «Procambarus» genannt, machen nach Angaben der Biologin «vor keinen Pflanzen halt, also auch nicht vor Reis, und fressen eigentlich alles, was biologisch ist». Hinzu komme die explosionsartige Vermehrung (im Acht-Wochen-Rhythmus bis zu 400 Eier) vor allem in der Regenzeit bei warmen Temperaturen.
Darüber hinaus seien alle Arten der Gattung Procambarus Überträger der Krebspest, einer durch Wasserschimmelpilze hervorgerufenen Krankheit, die die endemischen madagassischen Flusskrebsarten befalle und zusätzlich in ihrem Bestand extrem gefährde. Als endemisch werden Tiere bezeichnet, die nur in einer bestimmten Region vorkommen. Aufklärungskampagnen warnen die Inselbewohner nun vor den Marmorkrebsen, die sogar in Schmutzwasser überleben können. «Eine tickende Zeitbombe», warnt Prof. Olga Ramilijaona von der Universität Antananarivo.
Die aktuelle dramatische Situation sei ein Beispiel dafür, was eine unbedachte Einfuhr einer fremden Tierart in einem abgeschotteten Land wie Madagaskar bewirken könne. Bewohner von Reisanbaugebieten haben sich inzwischen zusammengeschlossen und fischen die bis zu zwölf Zentimeter großen Krebse in Massen aus dem Wasser und verbrennen sie. «Wir bekommen Durchfall nach dem Verzehr, und sogar die Schweine verschmähen sie», sagt ein Landwirt aus Ambohitrimanjaka. Auch an den Buschtaxi-Haltestellen wird kontrolliert, damit Bewohner aus dem Hochland diese Krebse nicht als mögliches Gastgeschenk für den Kochtopf der Verwandten in andere Regionen einschleppen.
Trotz der landesweiten Kampagnen gibt es den lokalen Medien zufolge Bauern, die die gefräßigen Krebse züchten und sie auf Märkten anbieten. In Notzeiten wie derzeit sei der Krebs «eine preisgünstige Alternative zu teurem Geflügel, Schweine- oder Rindfleisch», meint etwa die Hausfrau Hanitra in der Stadt Ankazobe. (dpa)
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