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04.12.2010 | 18:15 | Enthüllungs-Plattform 

Jagd auf Wikileaks

London/Washington/Berlin - Die Enthüllungs-Plattform und ihr Gründer Julian Assange werden in die Enge getrieben.

Wikileaks
Wikileaks verlor am Freitag die angestammte Web- Adresse wikileaks.org und sucht nun Asyl in Europa. Assange muss mit einer Festnahme rechnen - wegen der Verdachts sexueller Vergehen in Schweden. In einem Online-Interview warnte er seine Gegner: «Wenn uns etwas zustößt, werden die entscheidenden Teile (der US-Diplomaten-Akten) automatisch veröffentlicht.» 

Die Sammlung aus 250.000 amerikanischen Depeschen sei verschlüsselt an mehr als 100.000 Menschen gegangen, sagte Assange. Zudem hätten diverse Medien Zugriff darauf. «Die Geschichte wird siegen.» Die Welt werde zu einem besseren Ort. «Werden wir überleben? Das hängt von Ihnen ab.» Der Wikileaks-Chef stellte sich ausgewählten Fragen von Internet-Nutzern auf der Website der britischen Zeitung «Guardian». Das Interesse war so groß, dass die Seite zeitweise in die Knie ging.

Die schwedische Justiz schickte einen neuen Haftbefehl für Assange an die Behörden in Großbritannien. Laut Medienberichten befindet er sich derzeit im südöstlichen England, sein Aufenthaltsort sei den Behörden bekannt. Die britische Polizei Scotland Yard hatte am Vortag erklärt, dass man Assange wegen eines Formfehlers im ersten Haftbefehl nicht festnehmen könne. Er kündigte über seinen Anwalt Mark Stephens bereits an, dass er sich einer Auslieferung widersetzen werde. Im August hatten zwei Schwedinnen den Australier beschuldigt, gegen ihren Willen ungeschützten Sex erzwungen zu haben. Assange weist die Vorwürfe zurück.

Wikileaks war seit Freitagmorgen nicht mehr unter der bekannten Webadresse wikileaks.org erreichbar, die vom zuständigen US- Dienstleister gelöscht worden war. Die Plattform wich auf die Adresse wikileaks.ch aus, die auf die Schweizer Piratenpartei registriert ist. Am Abend war auch wikileaks.ch nicht mehr erreichbar. Eine Online-Recherche (Nameserver-Lookup) ergab, dass der Nameserver diese Adresse nicht mehr kennt. Man findet die Website auch unter ihrer direkten IP-Adresse http://213.251.145.96, die einen Computer im Internet eindeutig identifiziert. Zuvor hatte bereits der US-Konzern Amazon Wikileaks von seinen Servern verbannt.

Die Enthüllungen gehen aber weiter. Am Freitag handelten die Dokumente von Korruption in Afghanistan. Das Ausmaß von Bestechung, Erpressung und Veruntreuung sei selbst für Diplomaten in Kabul schockierend. Nur ein Minister stehe nicht unter Korruptionsverdacht, übermittelte die US-Botschaft im Januar. Schwere Bedenken wurden erneut gegen den afghanischen Staatspräsidenten Hamid Karsai laut. Auch Großbritannien muss nach jüngsten Berichten harsche Kritik wegen des Einsatzes in Afghanistan einstecken.

In Deutschland köchelte die «Maulwurf»-Diskussion weiter. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) nahm den bisherigen Büroleiter von Parteichef Guido Westerwelle gegen den Vorwurf der Spionage in Schutz. «Herr Metzner hatte die Aufgabe, Kontakt mit ausländischen Botschaften zu halten, in seiner Funktion.» Sie schätze ihn. Der 41-Jährige hatte im Zuge der Wikileaks- Enthüllungen zugegeben, im Herbst 2009 Informationen zum Verlauf der Koalitionsgespräche weitergegeben zu haben - an US-Botschafter Philip Murphy. Er wurde daraufhin von seinem Posten entbunden.

Die Bundesregierung werde aber weder die Abberufung Murphys fordern noch auf eine Entschuldigung dringen, machte Regierungssprecher Steffen Seibert deutlich - nach entsprechenden Forderungen aus der FDP.

In Kabul erklärte ein Regierungsvertreter den Enthüllungen zufolge einem staunenden Diplomaten das «Vier-Stufen-Modell» der Korruption. Demnach werde bei US-Entwicklungsprojekten gleich mehrfach abkassiert: zunächst bei der Ausschreibung eines Bauvorhabens, dann bei Auftragsvergabe, während des Baus und ein weiteres Mal, wenn das Projekt eingeweiht wird, heißt es in der «New York Times». Einzig der bis heute amtierende Landwirtschaftsminister Asif Rahimi habe eine weiße Weste.

Anders als Präsident Karsai, der laut einer US-Depesche von Mitte 2009 fünf Grenzpolizisten begnadigt haben soll, die mit über 120 Kilogramm Heroin erwischt worden seien. Hintergrund: Der Sohn eines einflussreichen Karsai-Unterstützers soll in den Fall verwickelt gewesen sein. (dpa)

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