Lange hat er sich beim Thema
Klimawandel bedeckt gehalten, weitreichende Zusagen kann er in Kopenhagen nicht machen. Aber die jüngsten Signale aus China und Indien haben den Präsidenten offenbar auf Trab gebracht. Plötzlich sieht er Fortschritt in Richtung auf ein Abkommen, «das alle Themen, die derzeit verhandelt werden, umfasst». Mehr noch: Sogar seine Terminplanung wirft er um. Statt in der Frühphase der Konferenz eine kurze Stippvisite einzuschieben, will er jetzt in der Endphase mitmischen. Kann
Obama das Steuer herumreißen? Zweifel sind angebracht.
Obama liegt der Klimawandel am Herzen. Ganz im Gegensatz zu seinem Vorgänger George W. Bush verordnete er der Autoindustrie das Benzinsparen. Doch was Kopenhagen angeht, sind ihm die Hände gebunden, der mächtigste Mann der Welt ist ein Gefangener seines Parlaments. Trotz monatelanger Debatte konnte sich der Kongress in Sachen
Treibhausgase bisher zu keinem Votum durchringen. Ein
Gesetzentwurf hängt im Senat fest. Obama kann es sich derzeit nicht leisten, neben dem erbitterten Ringen um die innenpolitisch äußerst wichtige Gesundheitsreform noch eine «zweite Front» zu eröffnen. Die US-Delegation muss daher in Kopenhagen ohne Mandat antreten - kein gutes Omen.
Schon vor Monaten warnte der Klima-Sonderbeauftragte Todd Stern vor einem düsteren Szenarium: Präsident Bill Clinton hatte seinerzeit das Kyoto-Abkommen noch stolz unterzeichnet - doch das Parlament weigerte sich anschließend, den Vertrag zu ratifizieren. Ohne die Unterschrift des damals weltweit stärksten Verschmutzers war das ganze Abkommen aber nur noch die Hälfte wert. Laut Kyoto-Protokoll hätten die USA ihre Treibhausgase bis 2012 um 7 Prozent senken müssen. Tatsächlich stiegen sie aber laut
Greenpeace allein bis 2005 um 16 Prozent. Ein Debakel, das sich nicht wiederholen sollte, warnt Stern.
In Kopenhagen steht der US-Delegation ein Balanceakt bevor, der delikater nicht sein könnte: Sie will einerseits verhandeln und den Klimawandel bekämpfen, andererseits ist ihr Manövrierspielraum enorm beschränkt. Bisher hat lediglich das Repräsentantenhaus einen Gesetzentwurf verabschiedet, der jedoch meilenweit hinter den europäischen Erwartungen zurückbleibt. Bis zum Jahr 2020 sollen die Treibhausgase um 17 Prozent unter das Niveau des Jahres 2005 reduziert werden. Das ist das magere Angebot, das Obama in Kopenhagen präsentieren will. Viel Beifall wird er dafür kaum erhalten.
Experten errechnen, die US-Vorgaben wären bestenfalls vier Prozent Verringerung unter das von der EU vorgegebene Niveau des Jahres 1990 - praktisch bleibt also alles beim Alten. Ein Antrag im Senat sieht immerhin 20 Prozent vor. Zum Vergleich: Deutschland will in dieser Zeit den CO2-Ausstoß gegenüber 1990 um 40 Prozent herunterfahren. Es sei, als ob Amerikaner und Europäer «in zwei verschiedenen Welten» lebten, kritisierte Ex-Umweltminister Sigmar Gabriel bei einem Besuch in Washington im Frühjahr.
Obamas Zuversicht gründet sich vor allem darauf, dass die aufstrebenden Industriestaaten und CO2-Produzenten wie China und Indien sich erstmals durchringen konnten und konkrete Ziele zur Reduzierung ihrer Treibhausgase vorlegten. In der Vergangenheit konnten die USA ihre Ablehnung von bindenden Vereinbarungen stets mit dem Verweis auf die Untätigkeit Chinas und anderer Verschmutzer begründen - das wird künftig schwierig.
Zudem heißt es in Washington, wenn 100 Präsidenten und Regierungschefs sich in Kopenhagen zu Wort melden, dürfe der amerikanische Präsident nicht abseits stehen. Doch Obamas Präsenz in Kopenhagen bedeutet noch lange keinen Durchbruch. Regierungsbeamte in Washington meinen nach wie vor, ein bindendes Abkommen werde es kaum geben. Und trotz der neuen Zuversicht verweist Obama auch darauf, dass noch längt nicht alles unter Dach und Fach ist. Es gebe nach wie vor ungeklärte Fragen, die noch verhandelt werden müssten.
«Mission Impossible», nannte noch vor kurzem die Grünen-nahe Heinrich Böll Stiftung Obamas Kopenhagen-Engagement. Angesichts der schwierigen Lage plädiert sie aber zum behutsamen Vorgehen in Kopenhagen - und zur Rücksicht auf Obamas Dilemma. «Wenn Europa ... um jeden Preis strengere Verpflichtungen erzwingen will, könnte es damit der Sache einen Bärendienst erweisen.» (dpa)