"Diese Achterbahnfahrt ist eine Situation, mit der wir nicht nur heute konfrontiert sind, sondern auch in nächster Zeit", so Geislmayr, der in diesem Zusammenhang an die EU appelliert, Voraussetzungen für eine geordnete Entwicklung der Milchwirtschaft zu schaffen. Aktuell scheint der Boden der Erzeugerpreissenkung jedenfalls erreicht zu sein. Sollte es wider Erwarten dennoch zu weiteren Preisverminderungen kommen, wären Verwerfungen zu befürchten, was Arbeitsplatzverluste in der Milchindustrie und das Aussteigen von Milchbauern aus der Produktion bedeuten könnte, warnte der Präsident. Derzeit schrieben bereits mehr als die Hälfte der Molkereien rote Zahlen, so Geislmayr, der Strukturveränderungen in diesem Bereich für notwendig erachtet.
2008 sehr wechselhafte Situation
"2008 war für die österreichische Milchwirtschaft ein Jahr mit sehr wechselhafter Situation. Zunächst konnte die positive Entwicklung auf den internationalen Milchmärkten auch in Österreich genutzt werden, ab Mitte des Jahres kam es aber aufgrund der internationalen Entwicklung auch in unserem Land zu deutlichen Einbrüchen", betonte der VÖM-Präsident. Während die österreichische Milchwirtschaft zunächst von den steigenden Preisen partizipieren und den Bauern übers Jahr gesehen deutlich bessere Preise als 2007 auszahlen konnte, waren gegen Jahresende bereits massive Preisrückgänge zu verzeichnen. Die sehr heftig geführte Diskussion über
Lebensmittelpreise führte zu Verbrauchsrückgängen um 1,4 % in der Menge. Exporte und Importe entwickelten sich aber weiter sehr dynamisch.
Die Ursachen für das deutliche Auf und Ab bei den Milchpreisen sind laut Geislmayr in der Entwicklung auf den internationalen Rohstoffmärkten zu suchen. Während Ende 2007 und Anfang 2008 die internationalen Notierungen für Milchprodukte aufgrund der starken Nachfrage, international guter Konjunktur und Produktionsrückgängen in einzelnen Regionen stark anstiegen, kam es ab Anfang 2008 zu deutlichen Einbrüchen. Aktuell liegen die internationalen Notierungen wieder unter dem Interventionsniveau.
Plus bei MilchanlieferungenDie
Milchanlieferung lag 2008 mit 2,71 Mio. t um 2,1 % über dem Niveau von 2007. Die Umsätze der österreichischen Milchverarbeiter erreichten mit EUR 2,14 Mrd. ein Plus von ca. 7 %. Die österreichischen Molkereien konnten die Auszahlungspreise für Milch mit natürlichen Inhaltsstoffen (inklusive Mehrwertsteuer) von 37,80 Cent/kg im Jahr 2007 auf 43,57 Cent/kg im Jahresdurchschnitt 2008 steigern, was ein Plus von 15,3 % bedeutet. Gegen Jahresende sowie Anfang 2009 waren aufgrund der internationalen Entwicklung aber auch die österreichischen Molkereien zu Preiskorrekturen gezwungen, berichtete Geislmayr.
Höherer Bauernmilchpreis als in Deutschland
Die österreichischen Preise lagen im Jahr 2008 im Durchschnitt um 3,67 Cent über den Vergleichswerten Deutschlands sowie um 1,85 Cent über den bayerischen Werten (Quelle: ZMP) und dies trotz der erhöhten Erfassungskosten für die österreichischen Molkereien aufgrund der strukturbedingten Nachteile. Bemerkenswert ist weiters, dass die heimischen Auszahlungspreise neuerlich deutlich gesteigert werden konnten, wogegen im benachbarten Ausland keine Erhöhungen mehr möglich waren und gegen Jahresende bereits deutlich stärkere Preisrückgänge verzeichnet wurden. Die höheren
Erzeugerpreise in Österreich seien möglich, weil nur ein geringer Teil der
Milchproduktion in unveredelter Form und bedeutende Mengen als regalfertige Waren verkauft würden, berichtete Geislmayr.
Rückgang bei MilchlieferantenDie Zahl der Milchlieferanten ging im Jahr 2008 allerdings von 43.600 auf 42.000 (-3,6 %) zurück. Die durchschnittliche Milchanlieferung stieg von 61.000 kg auf 64.600 kg pro Jahr und Milchbauer. Österreichs Milchwirtschaft umfasst weniger als 2% der Anlieferung der gesamten Europäischen Union. Stark ist mittlerweile auch die Marktkonzentration im Molkereibereich. Die drei größten Unternehmen machen bereits ca. 55% des heimischen Gesamtumsatzes aus, während es 1994 erst 24% waren. Die zehn wichtigsten Molkereien erwirtschaften bereits 89 % des Umsatzes, 1994 waren es noch 52 %. Die meisten anderen Milch verarbeitenden Unternehmen sind Nischenanbieter, wie etwa Käsereien im alpinen Bereich, die die Situation laut Geislmayr nicht mehr wesentlich beeinflussen. "Von den sicherlich notwendigen Strukturmaßnahmen darf man sich keine Wunder erwarten. Der Bauernmilchpreis wird dadurch nicht steigen", so der VÖM-Präsident.
Deutliches AußenhandelsplusPositiv ist, dass die österreichischen Molkereien 2008 neuerlich im Export zulegen konnten, die Ausfuhren stiegen von EUR 891 Mio. um 4,8 % auf EUR 934 Mio. Allerdings legten auch die Importe von EUR 494 Mio. um 9,6 % auf EUR 541 Mio. zu, was zu einem leichten Rückgang des hoch positiven Außenhandelssaldos auf EUR 393 Mio. (EUR 397 Mio. im Vorjahr) führte. Wichtigstes Exportprodukt ist nach wie vor Käse. Hier zeigte sich, dass Österreich mit seiner Qualitätsstrategie weiterhin punkten konnte, während Importe im Billigstsegment durch Handel und weiterverarbeitende Industrie zulegten. Sehr erfolgreich verlief auch die Außenhandelsbilanz mit den Erweiterungsländern, wo steigende Exporte im Ausmaß von EUR 79 Mio. fallenden Importen von EUR 36 Mio. gegenüber standen.
EU soll geordnete Entwicklung der Milchwirtschaft erreichen"Wenn es nicht gelingt, auf EU-Ebene die völlige Liberalisierung des Milchmarktes in geordnete Bahnen zu bringen, sind wir längerfristig mit einem Achterbahnszenario mit hohen Auf und Abs konfrontiert, das sowohl Konsumenten verunsichert als auch eine geordnete Marktentwicklung massiv beeinträchtigt. Es wird daher an die Verantwortlichen in der EU appelliert, Voraussetzungen für eine geordnete Entwicklung der Milchwirtschaft zu schaffen. Vor allem Länder mit einem hohen Anteil der Milchproduktion in Berg- und benachteiligten Regionen - wie Österreich - brauchen dazu konkrete Maßnahmen", forderte Geislmayr. (aiz)