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04.02.2011 | 08:03 | Fusionsfieber auf dem Milchmarkt 

Molkereien bündeln Kräfte

Everswinkel/Bremen - Ob Milch, Butter, Käse oder Eiscreme - die Kühlregale der Supermärkte werden von immer weniger Herstellern gefüllt.

Milchprodukte
Mit Nordmilch und Humana sowie Arla und Hansano stehen aktuell gleich zwei große Fusionen in der Milchbranche an. Die Lebensmittelketten müssen bei den Preisverhandlungen nicht nur mit stärkeren Gegenspielern rechnen. Mit wachsender Größe lohnt es sich für Molkereien auch, stärker auf Markenprodukte statt auf austauschbare No-Name-Produkte zu setzen. Gewinner der Fusionen sollen vor allem die gebeutelten Milchbauern sein. Es gibt aber auch Ängste vor einer steigenden Abhängigkeit.

Die führenden deutschen Molkereigenossenschaften Nordmilch und Humana steigen mit ihrem am Donnerstag besiegelten Zusammenschluss zum sechstgrößten in der Rangfolge der europäischen Milchverarbeiter auf. Der neue Riese sammelt Rohmilch bei über 11.000 Erzeugern in einem Einzugsgebiet, das sich nördlich einer Linie von Köln und Aschaffenburg über halb Deutschland erstreckt. In 24 Werken werden 6,7 Millionen Tonnen Milch pro Jahr verarbeitet. Der Umsatz von Nordmilch und Humana, die 5.500 Mitarbeiter beschäftigen, beläuft sich auf 4,8 Milliarden Euro. Sie verkaufen Produkte zwar seit längerem aus einer Hand an den Handel. Fusion und neuer Name sollen aber weiteren Schub bringen. Viel Potenzial wird bei Eis, Babynahrung und Gesundheitsprodukten gesehen.

Schon die Bezeichnung «Deutsches Milchkontor» für das neue Gemeinschaftsunternehmen zeigt, wohin die Reise gehen soll. Für die deutschen Molkereien bieten die Auslandsmärkte gute Absatzschancen. Bei Käse hat beispielsweise der russische Markt deutlich an Bedeutung gewonnen. Nach Angaben des Milchindustrie-Verband «fließen» bereits 40 Prozent der in Deutschland erzeugten Milch - vorwiegend in einer lagerfähigen Form wie Magermilchpulver, Butter, Käse - ins Ausland. Ebenso viel Milch kommt laut Branchenexperten unter anderem als dänische und irische Butter oder holländischer oder Schweizer Käse in die deutschen Regale.

Außerdem wollen Humana/Campina ihre Marken Milram, Oldenburger, Humana, Ravensberger nach vorn bringen. Mit Markenprodukten verdienen Hersteller mehr Geld als mit No-Name-Artikeln, die Discounter und Supermärkte in der untersten Preislage anbieten. Bei No-Name-Produkten sind Lieferanten austauschbar, wie Handelsexperten betonen. «Durch die Zersplitterung in der deutschen Milchwirtschaft haben nur wenige Unternehmen die Kraft, umfangreich in Marken zu investieren», schildert der Geschäftsführer der Landesvereinigung Milchwirtschaft NRW, Rudolf Schmidt. Marken schützten aber nicht in jedem Fall vor Auslistung.

Die deutsche Milchindustrie nimmt immer größere Strukturen an, gilt aber im Vergleich zu den Niederlanden und Frankreich als eher mittelständisch geprägt. Die Zahl der Unternehmen ist hierzulande in 50 Jahren von 3.000 auf rund 100 gesunken, die aktuell in etwa 200 Werken 36.000 Mitarbeiter beschäftigen. Nach Ansicht von Schmidt könnten Mittelständler «im Kielwasser des neuen großen Dampfers» vorankommen, beispielsweise durch Spezialisierung.

Hans Foldenauer vom Bund Deutscher Milchviehhalter sieht auch eine Kehrseite: Er berichtet von der Sorge, dass Landwirte in einer Region faktisch kaum Wechselmöglichkeiten - etwa von Nordmilch zu Humana und umgekehrt - mehr haben könnten. «Der Blick auf die Karte ist beängstigend», unterstreicht er. Humana betont dagegen, dass die Bauern auch in diesen Gebieten alternative Absatzmöglichkeiten hätten. Zudem müssen Nordmilch und Humana nach Ansicht von Foldenauer erst einmal in der Praxis beweisen, dass eine bessere Auszahlung für die Milchbauern herauskomme. «Größe ist im Grundsatz nicht gleich mehr Milchgeld.»

Das Geld, das die Bauern für ihre Rohmilch bekommen, ist nach dem tiefen Tal 2009 von durchschnittlich knapp 22 auf 30 Cent je Liter im vergangenen Jahr gestiegen. Dazu trug vor allem die Nachfrage auf dem Weltmarkt bei. Auf der anderen Seite müssten die Landwirte für Energie, Dünger und Futter deutlich mehr zahlen. «Der Monat ist vorbei und das Geld hat nicht ganz gelangt, das hör' ich von vielen», schildert Foldenauer.

In der Rangliste der weltgrößten Milchverarbeiter steht Nestlé (Schweiz) oben, gefolgt von Danone und Lactalis (beide Frankreich). Auf dem vierten Platz liegt Friesland Campina, der Zusammenschluss zweier niederländischer Genossenschaften aus dem Jahr 2009. Auch die dänische Arla Foods, eine der weltgrößten Molkereigenossenschaften, und Hansa-Milch wollen zusammengehen. Bei Hansa-Milch, die rund 1.000 Milchbauern in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern gehört, sollen die Genossenschaftsmitglieder am 2. März darüber abstimmen. (dpa)
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