Die Milchbauern treffen mit ihrem Zorn über die sinkenden Einkommen auf Verständnis in der Öffentlichkeit. Schon heute könnten die Protestaktionen wieder beginnen, wenn das Treffen der EU-Agrarminister in Brüssel keine Lichtblicke bringt. Zwar sind die Methoden der "Rebellen" - manche haben Milch sogar weggeschüttet - durchaus auch bedenklich, doch sie machen klar, wie ernst die Lage ist. Die Landwirte gewinnen damit zwar Sympathie, doch sie müssen erkennen, dass sie das nicht weiter bringt. Der
Milchpreis bleibt schlecht, auch wenn die Proteste der Bauern immer wütender werden.
Denn die Dinge sind nicht so einfach wie die Funktionäre der "rebellischen" IG-Milch meinen. Wären sie nämlich so simpel, könnten auch die mies bezahlten Verkäuferinnen oder die Mindestrentner ihre Lage mit der Holzhammermethode zum Besseren wenden. Viele der Landwirte, deren Familien die Höfe seit Generationen bewirtschaften, sind der Meinung, sie seien in gewisser Weise "etwas Besseres". Niemand könne so vitale Belange wie die Ernährung, die Erhaltung der Natur und der Lebensgrundlagen so gut gewährleisten wie sie. Die Bauern verdienten deshalb eine Art Sonderbehandlung, indem die Gesetze des Marktes, die für alle gelten, für sie aufgehoben werden. Denn die anderen Marktteilnehmer ließen den Milchbauern keine Luft zum Überleben, wird beklagt.
Deshalb wollen die "Milchrebellen", dass die Politik den Markt zurückdrängt, indem sie den Landwirten eine "Mengensteuerung" ihrer
Milchproduktion gestattet. Wenn die EU-Agrarpolitiker das heute nicht tun, wollen die "Rebellen" ihre Kampfmaßnahmen fortsetzen. Doch dieser Plan ist bedenklich. Hinter dem harmlosen Begriff "Mengensteuerung" verbirgt sich eine Kopie des Ölkartells OPEC. Das bestätigte ein Sprecher der Grünen, der mit der IG-Milch sympathisiert. Die Bauern wollen - wie die Ölscheichs am Ölhahn - am Milchhahn sitzen und ihre Produktion so steuern, wie es ihnen passt. Für die Konsumenten wäre das - siehe das Kartell der OPEC-Länder - nicht gut.
Damit beschwören die Milchrebellen gleich zwei Gefahren herauf. Erstens setzen sie die Sympathie der Öffentlichkeit aufs Spiel, weil eine "Milch-OPEC" faktisch darauf hinausläuft, die Konsumenten zu entmündigen. Ist dieses Vertrauen dahin, werden die Bauern es wahrscheinlich nie mehr zurückerobern können. Und zweitens tauschen sie die Abhängigkeit vom verpönten Markt gegen die Abhängigkeit von der - gerade bei ihnen - nicht minder verpönten Politik ein. (ots)