Nach 17 Jahren. Um 10.21 Uhr ist am Dienstag die letzte seiner 53 Milchkühe auf dem Laster verstaut, im Stall ist es still und leer. «Heute ist ein trauriger Tag. Aber ohne die Milchkühe haben wir weniger Arbeit und mehr Geld auf dem Konto», sagt der 41-Jährige aus Norstedt (Nordfriesland). Seine Frau Silvia (43) bricht in Tränen aus, als sie die Kühe im großen grünen Tier-Transporter verschwinden sieht. Zuvor hat der Milchlaster ein letztes Mal noch Milch geholt - 788 Liter, das bringt nicht einmal 160 Euro.
Wirtschaftlich sei es die richtige Entscheidung, die Milchviehhaltung aufzugeben, vom Herzen her jedoch nicht, betonen beide. «Noch haben wir keine Schulden, aber wir müssten Geld aufnehmen, um es weiterzubetreiben. Das kann nicht sein», sagt der Vater von fünf Kindern. Der Viehhändler Paul Petersen, der die Tiere abholt, kennt die Argumente. «In den vergangenen Monaten passiert es häufig, dass die Betriebe aufgelöst werden.» Doch auch für ihn sei es schwierig, weil es immer weniger Bauern gebe, die expandieren und noch Kühe aufnehmen.
Die Geräte für den Milchbetrieb wollen die Thomsens zunächst noch behalten. «Wir könnten so wieder anfangen», betont Roland Thomsen. Dazu müsse der Milchpreis allerdings auf mindestens 35 Cent pro Liter steigen. «Das ist sehr unwahrscheinlich», sagt er. Vor einem Jahr noch hatte auch Thomsen mit vielen Bauern tagelang die Milchlieferungen boykottiert. Danach stiegen die Angebotspreise und auch die
Verbraucherpreise leicht, setzten aber später wegen eines Überangebots zur Talfahrt an. Auch ohne Milchkühe will Thomsen dem Bund Deutscher
Milchviehhalter als Fördermitglied treu bleiben. «Wenn es den Bauern gut geht, geht es auch allen anderen gut», sagt er.
Wie Roland Thomsen geht es wohl allen Milchbauern. «Mit einem Milchpreis von rund 20 Cent kann man nicht kostendeckend arbeiten», sagt Klaus Dahmke vom
Bauernverband Schleswig-Holstein. Dazu seien 30 bis 35 Cent notwendig. Dahmke forderte von der Politik weitere Erleichterungen beim Agrardiesel für die Bauern, um die eingebrochene Nachfrage und den Preisverfall bei der Milch einzudämmen. «Die Politik ist da bisher nur einen halben Schritt gegangen», betont er. Schätzungen zufolge geben von 5.000 Milchbauern in Schleswig-Holstein pro Jahr rund 150 auf. Die anderen arbeiten mit Hochdruck an einem zweiten Standbein wie Biogas- und Solarenergie.
Auch die Thomsens haben sich umorientiert. Seit einigen Jahren bereits konstruiert und verkauft Roland Thomsen Spielzeug-Eggen, -Mähwerke und anderes landwirtschaftliches Zubehör für Kinder- Tretschlepper. «Früher war das Plan B, heute ist es Plan A», sagt er. Zudem hat Silvia Thomsen noch eine kleine Frisierstube im Haus. «Aber morgen werden wir nach 17 Jahren das erste Mal ausschlafen und mit den Kindern frühstücken.» (dpa)