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18.05.2008 | 20:57 | Nahrungsmittelkrise 

Die Krisen nehmen zu - ein Rezept gegen den Hunger fehlt

Berlin - Explodierende Preise, Erdbeben, Überflutung: Die weltweite Nahrungsmittelkrise ist durch die Naturkatastrophen in China und Birma noch dramatischer geworden.

Hungerbekämpfung
(c) proplanta
Die Vereinten Nationen warnen davor, dass immer mehr Menschen Hunger leiden. Doch abseits der Nothilfen zeichnet sich kein Königsweg ab, mit dem Industrie- und Entwicklungsländer die Nahrungskrise langfristig eindämmen können. Die Welthungerhilfe schlägt Alarm. Es sehe derzeit so aus, als ob es 2015 eine Milliarde Hungernde geben wird, sagt Generalsekretär Hans- Joachim Preuß. Dabei hatten sich die Vereinten Nationen das Ziel gesetzt, die Zahl von 800 Millionen Hungernden bis 2015 zu halbieren.

Als Hürden im Kampf gegen Hunger gelten die wachsende Weltbevölkerung, die Konkurrenz zwischen Lebensmitteln und Biosprit - Tank oder Teller -, Subventionen, Spekulanten, aber auch schlechte Bedingungen für Bauern. Bundespräsident Horst Köhler prangert den Anbau von Biosprit-Pflanzen und die Abholzung von Regenwald an. «Vergnügt Auto zu fahren darf nicht Vorrang haben vor der Ernährung Hungernder», warnt er in der jüngsten Ausgabe des Magazins «Stern».

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte bei ihrem Besuch in Brasilien, dem zweitgrößten Hersteller von Biotreibstoff, die Nutzung dürfe nicht auf Kosten «der Wälder der Erde» gehen. Die Bundesregierung will voraussichtlich bis zur Sommerpause einen Katalog mit möglichen Maßnahmen gegen die Nahrungskrise vorlegen.

Bundesagrarminister Horst Seehofer (CSU) setzt auf eine Agrarwende. «Wir brauchen mehr Nahrungsmittel», fordert er. Vor allem in den Entwicklungsländern, aber nicht nur dort: «Auch wir werden im Zeitverlauf diesen Wettbewerb um die Nahrungsversorgung weltweit zu spüren bekommen.» Bei Biosprit warnt Seehofer vor einer Überbewertung. Der für Biokraftstoffe genutzte Boden mache weltweit weniger als zwei Prozent der Ackerfläche aus. «Man wird nicht im Ernst behaupten können, dass dies die tragende Ursache für die Ernährungsproblematik und die Nahrungsmittelpreise ist.»

Der Weltagrarrat empfahl im April einen grundlegenden Wandel der globalen Landwirtschaft: zurück zu traditionellen Anbaumethoden und mehr Umweltschutz. Die Produktivität der Bauern im globalen Vergleich ist sehr unterschiedlich, wie Zahlen der Welternährungsorganisation (FAO) zeigen. Während in Deutschland das Bruttoinlandsprodukt der Landwirtschaft bezogen auf die Agrarbevölkerung 2004 bei 12 236 Dollar (derzeit rund 7.900 Euro) lag, waren es in Indien 201 Dollar (etwa 130 Euro) und im Sudan nur 60 Dollar (rund 39 Euro). Die Welthungerhilfe hält Agrarreformen durch besseres Saatgut, Fruchtfolgen und den Ausbau der Infrastruktur für notwendig. Sie führt Indien als positives Beispiel an.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast ist so etwas wie die geistige Mutter des Begriffs Agrarwende. Als Seehofers Vorgängerin machte sie sich für Öko-Landbau stark. Künast sieht in einer verfehlten Agrar- und Handelspolitik die Ursache der Nahrungskrise. «Wir haben unsere eigenen Märkte abgeschottet», kritisierte sie bei einer Debatte im Bundestag. Der Bundespräsident hält einen Abbau von Exporthilfen in Europa und den USA für notwendig. Seehofer verweist stets darauf, dass die EU-Agrarexportsubventionen ohnehin bis 2013 wegfallen sollen. Im Gegenzug verlangt er allerdings den weiteren Abbau von Handelsschranken bei Industrieprodukten und Dienstleistungen.

Bauernpräsident Gerd Sonnleitner hält die EU-Exporthilfen zwar auch für ein Auslaufmodell, pocht aber auf einen Ausgleich für Umweltstandards. Sonnleitner, der einen Hof in Bayern hat, prangert als Ursachen der Krise vor allem schlechte Regierungen, fehlende Lager und Spekulanten an, die er Heuschrecken nennt. Die Rolle des Biosprits hält er wie Seehofer für überschätzt. «Momentan gibt der Nahrungsmittelmarkt mehr her.» In den weltweit drastisch steigenden Lebensmittelpreisen sieht der Bauernpräsident kein Übel, sondern eine große Chance für die Bauern weltweit. «Höhere Preise sind ein Hoffnungssignal für die Landwirtschaft.» (dpa)
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