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22.08.2015 | 09:40 | Pflanzenforschung 

Neue Methode zur Erzeugung haploider Kulturpflanzen

Gatersleben - Die Erzeugung haploider Pflanzen ist die wirksamste Methode Prozesse der Pflanzenzucht zu beschleunigen und damit deutlich zeit- und kostengünstiger zu gestalten. Doch nur einige Kulturpflanzen sind den etablierten Verfahren zugänglich.

Pflanzenzucht
(c) Eisenhans - fotolia.com
Dies könnte sich in Zukunft ändern, denn ein Forscherteam des Leibniz-Institutes für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben um Dr. Andreas Houben erarbeitete eine neue Methode für die Erzeugung von Haploiden, mit der eine viel größere Bandbreite von Arten erfasst werden könnte.

Diese für die Pflanzenzucht herausragende Erkenntnis wurde am 20. August 2015 in der renommierten Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS) publiziert.

In der Kulturpflanzenzüchtung wird die Erzeugung reinerbiger Linien angestrebt. Nur wenn das züchterisch interessante Merkmal homozygot, d. h. reinerbig vorliegt, erfolgt in den Folgegenerationen keine weitere Aufspaltung dieses Merkmals. Dieser Zustand liegt vor, wenn die Allele, d. h. die Ausprägungsform des entsprechenden Gens sowohl auf dem von der Mutter als auch auf dem vom Vater ererbten Chromosom identisch sind. Um das zu erreichen, muss man die Zuchtlinien üblicherweise über sechs bis acht Generationen mit sich selbst bestäuben. Das ist ein sehr langwieriger und kostenaufwändiger Prozess.

Die Erzeugung haploider Pflanzen kann diesen Prozess wesentlich beschleunigen. Haploide Pflanzen werden aus Keimzellen erzeugt, die grundsätzlich nur einen einfachen Chromosomensatz enthalten. Hierzu nutzt man zumeist unreifen Pollen, seltener auch Eizellen, die auf geeigneten Kulturmedien direkt zu Pflanzen mit einem einfachen Chromosomensatz regeneriert werden.

Wenn der Chromosomensatz einer solchen Pflanze mit der Hilfe von Colchizin, dem Inhaltsstoff der Herbstzeitlosen, wieder verdoppelt wird, entstehen erneut diploide, aber nun reinerbige Pflanzen, die man auch als Doppelhaploide bezeichnet Aufgrund des reinerbigen Zustands produzieren solche Pflanzen identische Nachkommen. Den Züchtern erspart diese Methode viel Zeit, Arbeit und trägt damit zur Kostenreduktion bei, da das gewünschte Ergebnis nun in nur einer Generation erreicht werden kann.

Allerdings sind bei Weitem nicht alle Kulturpflanzen dieser effizienten Methode zugänglich. Dies könnte sich in Zukunft ändern, denn ein Forscherteam des Leibniz-Institutes für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben zeigte an so verschiedenen Arten wie der Modellpflanzen Arabidopsis thaliana sowie den Kulturpflanzen Gerste und Zuckerrübe, dass Punktmutationen in der Zentromer-spezifischen Histon H3-Variante CENH3 für die Erzeugung von Haploiden nutzbar gemacht werden können.

Am Zentromer sind die beiden Seiten des Chromosoms, die Schwesterchromatiden, miteinander verbunden. Dort setzt auch der Spindelapparat an, der die Aufteilung der Erbanlagen auf die entstehenden Tochterzellen in Zellteilungsprozessen vermittelt. Punktmutationen im zentromerischen CENH3 Gen, welche durch Mutagenese oder auch durch die modernen Verfahren des Genome Editing erreicht werden können, erschweren die Bindung des Spindelapparates. Werden nun mutierte und nicht mutierte Pflanzen gekreuzt, gehen die Chromosomen der mutierten Pflanze im entstehenden Embryo verloren, da der Spindelapparat bevorzugt nicht-mutierten Chromosomen bindet. Im Ergebnis entsteht eine haploide Tochterpflanze, deren Chromosomenzahl durch die bekannte Colchizinbehandlung wieder verdoppelt werden kann.

Der Leiter der IPK Arbeitsgruppe Chromosomenstruktur und Funktion und auch Leiter des Forschungsprojektes Dr. Andreas Houben weist auch die Chancen hin, die sich aus diesen Ergebnissen für die Pflanzenzucht ergeben: „Bedenkt man den hohen Grad an Konservierung des Mutationsortes, wird deutlich, welche Möglichkeiten sich eröffnen, Doppelhaploide bei einer viel Größerer Bandbreite an Kulturarten als bisher möglich zu erzeugen.“

Diese bahnbrechenden Ergebnisse wurden am 17.08.2015 in der renommierten Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht: Raheleh Karimi-Ashtiyani, Takayoshi Ishii, Markus Niessen, Nils Stein, Stefan Heckmann, Maia Gurushidze, Ali Mohammad Banaei-Moghaddam, Jörg Fuchs, Veit Schubert, Kerstin Koch, Oda Weiss, Dmitri Demidov, Klaus Schmidt, Jochen Kumlehn, and Andreas Hoube: Point mutation impairs centromeric CENH3 loading and induces haploid plants. PNAS 2015; published ahead of print August 20, 2015, doi:10.1073/pnas.1504333112. (ipk)
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