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14.10.2011 | 09:52 | Sortenentwicklung 

DLG-Ausschuss besorgt über zunehmende Sparmaßnahmen beim Sortenversuchswesen

Frankfurt/Main - Der Ausschuss für Pflanzenzüchtung und Saatgut der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) sorgt sich um die unabhängige Information der Landwirte zu den Werteigenschaften neuer und auch altbewährter Sorten.

Sortenversuch
Bisher zeichnet ein praxisorientiertes Versuchswesen im Verbund von Züchtern, Zulassungsbehörden und öffentlichen Beratungsträgern ein aussagekräftiges Bild der aktuell am Markt befindlichen Sorten. Der Landwirt findet so sehr fundierte Informationen, um seine Sortenwahl zu treffen. Nach der Zulassung einer Sorte durch das Bundessortenamt, basierend auf bundesweiten Ergebnissen, wird in Landessortenversuchen die regionale Eignung von Sorten herausgearbeitet. Der zunehmende Sparzwang verleitet derzeit einzelne Länder dazu, so zum Beispiel Brandenburg, die finanziellen Mittel für die Landessortenversuche zu beschneiden. „Damit stehen wichtige Aussagen zur regionalen Anbaueignung gerade der neuen Sorten mittelfristig nicht mehr zur Verfügung", befürchtet der Vorsitzende Dr. Reinhard Kendlbacher in einer Stellungnahme des DLG-Ausschusses.

„Landwirte brauchen verlässliche, in exakten Versuchen ermittelte Ergebnisse, um die für ihre jeweiligen Standortverhältnisse ‚richtigen‘ Sorten auswählen zu können. Ob die im öffentlichen Prüfwesen entstehenden Lücken durch private Aktivitäten, beispielsweise von Handelshäusern, nachhaltig, zuverlässig und neutral gefüllt werden können, ist zumindest zweifelhaft", so der DLG-Ausschussvorsitzende. Denn hier fehlt oftmals ein flächendeckendes Versuchswesen. Es droht die Gefahr, dass lückenhafte Ergebnisse oder Ergebnisse von nur einem Standort zu einzelnen Sorten durch besonders zugespitzte Werbeaussagen ergänzt werden. Ein neutrales, flächendeckendes Versuchswesen ist daher für die Umsetzung des züchterischen Fortschritts in der praktischen Landwirtschaft unerlässlich.

Das Bundesgebiet ist geologisch und klimatologisch sehr differenziert. Auch die einzelnen Sorten werden in den verschiedensten Regionen Deutschlands und in der Europäischen Union entwickelt. Das Auffinden der für die unterschiedlichen Naturräume geeigneten Sorten stellt deshalb die erste Voraussetzung für einen Umwelt und Klima schonenden Pflanzenbau dar. Falsche Sortenwahl des Landwirts aufgrund unzureichender Informationen führt dazu, dass Standortpotenziale nicht ausgeschöpft werden. Fehlende genetische Anpassung der Sorten an biotische und abiotische Umweltbedingungen muss dann durch einen erhöhten Einsatz von zum Beispiel Dünge- und Pflanzenschutzmitteln kompensiert werden. Dies widerspricht den allgemeinen - auch von Seiten der Politik - geforderten Leitzielen einer Umwelt und Ressourcen schonenden Landnutzung. Die Prüfung der Sorten und die Ermittlung ihrer optimalen Bestandsführung ist demnach eine wichtige Gemeinwohl-Aufgabe und muss in der gebotenen Neutralität und objektiven Kompetenz weiterhin flächendeckend vollzogen werden.

Kurzfristiges Denken im Versuchswesen, speziell in der Sortenprüfung und beim Nachbau, fordert langfristig gesehen einen hohen Preis: Ertragsabfall, Abnahme der Krankheits- und Schädlingsresistenz, Zunahme von Fremdbesatz und Verunkrautung. Dadurch kommt es zu wirtschaftlichen Einbußen, auch in der Tierproduktion. Hier liegt eine besondere Verantwortung vor allem bei staatlichen Stellen hinsichtlich einer neutralen und wissenschaftlich fundierten Versuchsdurchführung und Analytik.

Darüber hinaus ist ein modernes Feldversuchswesen als Experimentierbasis zur Planung und wissenschaftlichen Begleitung von nationalen und EU-Programmen unerlässlich. Regionen mit einem soliden, auf Versuchsergebnissen beruhenden Vorlauf in der angewandten Forschung und mit hohem Saatgutwechsel (hoher Anteil neuer, geprüfter Sorten, wenig Nachbau) werden somit gesunde Pflanzenbestände als Ernährungsgrundlage für Mensch und Tier ins Feld stellen. Damit werden eine stabile und nachhaltige Einkommenssicherung auf dem Land sowie der Verbraucherschutz aktiv unterstützt.

Die DLG wird diese Thematik anlässlich ihrer Wintertagung am 10. Januar 2012 in Münster/Westfalen im Rahmen der Diskussionsveranstaltung „Sortenwahl ohne Versuche - woher kommen die Informationen?" aufgreifen.

Interessenten erhalten weitere Informationen bei der DLG. Ansprechpartner ist Dr. Alexander von Chappuis, Tel.: 069/24788-313 oder E-mail: A.Chappuis@DLG.org. (dlg)
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