Nun aber bringt ein «Problem-Wolf» in Nordbrandenburg und Südmecklenburg seine Schützer in akute Erklärungsnot. In sieben Monaten wurden knapp 70 Damhirsche, Rentiere und Schafe in fünf Gehegen getötet.
«Das ist ein langsames Herantasten an eine Schmerzgrenze», sagt der Landwirt Horst Hildebrandt aus Freyenstein bei Wittstock in Brandenburg. Bei Bauern breitet sich Angst aus. Rund 200 Menschen diskutierten am Donnerstagabend auf einem Wolfsforum im Rathaus in Wittstock die jüngsten «Attacken».
«Der Wolf war aus Deutschland nie ganz weg, einzelne Exemplare wanderten aus Polen immer wieder ein», erklärt Jens Teubner vom Brandenburger Landesumweltamt. In Polen gebe es 700, in Mittel- und Westeuropa etwa 18.000 Wölfe, davon die meisten in Rumänien mit 4.000 Tieren, 2.000 in Spanien, im Grenzgebiet Italien/Frankreich und in Skandinavien.
Erst 1998 siedelte sich das erste Wolfsrudel wieder in Deutschland an, bei Muskau in der sächsischen Lausitz. Inzwischen gibt es mehrere Rudel in Sachsen und Brandenburg, deutschlandweit gibt es laut Teubner 50 bis 60 Wölfe. «Experten sehen Sachsen, Brandenburg, den Süden Mecklenburg-Vorpommerns und den Osten Niedersachsens als ideales Wolfsgebiet.»
2010 wurden durch alle Rudel und Einzeltiere etwa 70 Schafe und Damhirsche sowie zwei Kälber gerissen. Das setzte sich 2011 fort: In vier Wochen gab es drei Wolfsattacken. Zuletzt tötete der Wolf sogar 15 Schafe aus einem mit Elektrozaun gesicherten Schafsgehege in Kieve (Müritzkreis in Mecklenburg-Vorpommern).
«Das ist das normale Raubtierverhalten - wie ein Fuchs im Hühnerstall, in der freien Wildbahn würden die anderen Tiere weglaufen», erklärt Wolfsexpertin Kristin Zscheile. «Wir haben Angst», bringt Landwirt Gerd Steinberg aus Boek am Müritz-Nationalpark die Sorgen der Bauern und anderer Tierhalter auf den Punkt. Per Transparent fordert er: «Leben ohne Wolf».
Als «Problem-Wolf» wollen die Brandenburger Wolfsschützer dieses Einzeltier aber noch nicht einstufen. «Das wäre der Fall, wenn die Betreiber alle Gehege, die angegriffen wurden, auch schon extra mit Strom gesichert gehabt hätten», erläutert Naturschützer Steffen Butzek. Er forderte die Tierhalter auf, ihre Gehege besser zu sichern: «Wir müssen dem Wolf das abgewöhnen.»
Das will das Land Brandenburg jetzt auch einfordern: Ab März soll es dort nur noch dann eine Entschädigung geben, wenn die Gehege vorschriftsmäßig gesichert waren. Seit 2007 zahlte das Land rund 35.000 Euro für «Wolfsverluste», also getötete Tiere.
Der Damhirsch- und Rinderhalter Hildebrandt ist trotz allem nicht beruhigt. «Wir können doch nicht die Rinderkoppel einzäunen.» Und was passiere eigentlich, wenn sich das Einzeltier vermehre? (dpa)
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