Dann versammeln sich rund zehn Millionen nordische Brutvögel wie Ringelgans, Pfeifente, Schnepfen und Alpenstrandläufer an der Nordseeküste. Die Tiere unterbrechen ihren Zug gen Süden für eine oft monatelange Rast, wie Wattenmeerexperte Hans-Ulrich Rösner von der Umweltstiftung «World Wide Fund For Nature» (
WWF) erklärt. Hier fressen sie sich ihre Fettreserven für den strapaziösen Weiterflug in die Wintergebiete an.
Zwischen den Wat- und Wasservögel ist auch eine rekordverdächtige Art: Die scheue Pfuhlschnepfe - ein 40 Zentimeter großer Vogel mit flacher Brust, braun-weiß quergestreiftem Schwanz und einem langen, leicht nach oben gebogenen Schnabel - ist ein echter Marathon-Flieger. Jeden Herbst ziehen rund 300.000 dieser und unscheinbaren Vögel über Westeuropa hinweg. Nach Angaben der Naturschutzgesellschaft «Schutzstation Wattenmeer» mausern und überwintern die skandinavischen Exemplare hier. «Die Sibirier dagegen fressen sich nur ein Fettpolster an und ziehen weiter».
Dabei können die extremen Langstrecken-Bezwinger schier unglaubliche Flug-Rekorde aufstellen. Erst vor wenigen Tagen sorgte einer dieser Vögel weltweit für Schlagzeilen, erzählt NABU-Vogelwart Clemens Schneider von der Vogelschutzinsel Trischen: Die Pfuhlschnepfe namens «E7» flog ohne Zwischenlandung fast um den halben Globus. Das Weibchen startete seinen Marathonflug am 29. August diesen Jahres in Alaska und erreichte am Abend des 7. Septembers völlig ausgehungert sein Ziel Neuseeland.
Für ihren 11.570 Kilometer langen Rekordflug war «E7» neun Tage ohne Zwischenstopp mit einer Geschwindigkeit von 50 bis 60 Stundenkilometern in der Luft. Täglich legte sie 1280 Kilometer zurück - das ist die Strecke von Flensburg aus über die Schweiz bis ins italienische Mailand. «Ihre Flugroute konnte aufgrund eines kleinen Satellitenempfängers, den sie sozusagen im Handgepäck mit sich trug, genau verfolgt werden», erzählt Clemens Schneider.
Als «Treibstoff» für ihren Nonstop-Flug ins Winterquartier fraß sich die Pfuhlschnepfe wie jeder Zugvogel vor dem Start ein Fettpolster an. Dabei durfte der Vogel aber nicht zu schwer werden, denn jedes zusätzliche Gramm Gewicht kostet beim Flug auch zusätzliche Energie. Um Gewicht einzusparen, verkleinere das Tier seine Organe, sagt Rainer Schulz von der Naturschutzgesellschaft «Schutzstation Wattenmeer». Außerdem wählt die Pfuhlschnepfe ihre Flughöhe wie ein Jet-Pilot nach den günstigsten Windströmen aus, um Energie zu sparen. Dennoch: «Am Ende eines Fluges sind dann nicht nur die Fettreserven verbrannt, sondern auch Teile des Brust- und Herzmuskels.» (dpa)