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09.03.2007 | 10:05 | Klimaschutz 

Rollen lassen: Auch klimafreundliche Bahn soll Ökobilanz verbessern

Berlin - Werbung für die Umweltfreundlichkeit seiner Züge bekommt Bahnchef Hartmut Mehdorn derzeit gratis.

Bahn
(c) proplanta
In der Debatte um den Klimaschutz empfehlen Wissenschaftler und Politik die Vorteile der Schiene, und sogar vom Autofahrerclub ADAC gab es gerade einen Preis für die Bahn. Dabei zielt der bundeseigene Konzern bisher eher auf die Portemonnaies als die Naturverbundenheit der Kunden und lockt mit günstigen Tickets im Konkurrenzkampf mit den Billigfliegern. Als einer der größten Energieverbraucher der Republik bemüht sich der Transportriese schon seit längerem, seine Ökobilanz zu verbessern. Umweltschützer fordern aber noch stärkere Anstrengungen.

Der Energiebedarf des größten europäischen Verkehrsanbieters mit täglich fünf Millionen Reisenden in 28 000 Zügen ist enorm. Außer den Diesellokomotiven werden rund 90 Prozent der Züge von der S-Bahn bis zum ICE elektrisch angetrieben - der benötigte Strom entspricht pro Jahr etwa dem Verbrauch der 3,4-Millionen-Einwohner-Metropole Berlin. Dabei stammt fast die Hälfte der Elektrizität aus Kohle, ein Viertel aus Atomkraft, und knapp zwölf Prozent kommen aus erneuerbaren Quellen. Die immensen Mengen haben die Manager schon seit einigen Jahren schärfer im Blick. Die Maxime: Energiesparen senkt nicht nur Kosten, sondern auch den Ausstoß klimaschädlichen Kohlendioxids.

Mit moderneren Fahrzeugen und neuer Leittechnik wurden die CO2-Mmissionen von 1990 bis 2002 bereits um ein Viertel reduziert. Und bis 2020 sollen sie um nochmals 15 Prozent herunter. Schon jetzt verweist Mehdorn aber gern auf einen Öko-Vorsprung: Bei Fernzügen entstehe im Schnitt nur ein Drittel des Treibhausgas-Ausstoßes, der auf der Straße anfällt. So seien es auf der 171 Kilometer langen Bahntrasse Nürnberg-München pro Person 7,5 Kilogramm CO2, beim Pkw dagegen 30 Kilogramm. Das Umweltbundesamt erinnerte kürzlich daran, dass bei einem Flug nach Südostasien über sechs Tonnen CO2 anfallen, während es bei einer Zugfahrt von Berlin an die Ostsee 35 Kilogramm sind.

Naturschützer attestieren der Bahn dennoch keine völlig weiße Weste in punkto Umweltverträglichkeit. Der Strom müsse noch stärker aus regenerativen Energien kommen, heißt es beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) fordert Rußpartikelfilter für alle Dieselloks. Zwiespältig sehen Kritiker zudem den Hochgeschwindigkeitsverkehr. Dabei sollen gerade die ICE Kunden von Auto oder Flugzeug weglocken. «Ab Tempo 200 geht aber die Klimabilanz wegen des hohen Stromverbrauchs in den Keller», sagt VCD-Expertin Heidi Tischmann. BUND-Verkehrsreferent Werner Reh moniert: «Die Bahn hechelt Spitzengeschwindigkeiten hinterher und vergisst dabei eine Gesamtnetzstrategie.» Viele verknüpfte Gleisabschnitte mit Tempo 200 seien effektiver als einzelne Paradestrecken mit Tempo 300.

Den Energieverbrauch ihrer weiß glänzenden Sprinter hat die Bahn allerdings bereits ins Visier genommen. Die jüngsten ICE-3-Züge wiegen dank Leichtbauweise weniger als die gut 780 Tonnen schweren Vorgänger der ersten Generation. Energie, die beim Bremsen entsteht, kann ins Stromnetz zurückgespeist werden. Zudem trainierten mehrere tausend Lokführer sparsames Fahren. Nach dem Motto «Zügig anfahren und dann rollen lassen» könne etwa von Göttingen nach Hannover der Antrieb schon 60 Kilometer vor dem Ziel abgeschaltet werden, lautet eine Lektion. Auf der gesamten Strecke von München nach Hamburg ließen sich auf diese Weise zweieinhalb Tonnen CO2 vermeiden.

Rückenwind könnte dem Konzern die wieder entflammte politische Diskussion über stärker klimaorientierte Abgaben für den Verkehr bringen, wie etwa eine Besteuerung von Flugbenzin. «Wenn wir zu gleichen Bedingungen in den Wettbewerb gehen, werden wir auch noch mehr Menschen für die Schiene begeistern», verspricht Mehdorn. Denn bisher trage allein die Bahn einen «Rucksack mit Wackersteinen»: jährlich 400 Millionen Euro an Steuern und Abgaben für Energie. (dpa)
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