Mehr als 150 Jahre lang galt das Raubtier in Deutschland als ausgestorben. Doch seit der Jahrtausendwende erobert der Wolf Deutschland zurück - und zwar im Eiltempo. Nach im Vorjahr vorgestellten Daten ging man zuletzt von 120 bis 130 erwachsenen Wölfen bundesweit aus.
Während Artenschützer begeistert sind, erfüllt viele Landwirte, Schäfer und Anwohner Sorge. Insbesondere kleinere Weidetiere wie
Ziegen, Schafe und
Kälber fallen dem Raubtier zum Opfer. Um die Herden zu schützen und die Akzeptanz des Wolfes zu erhöhen, ergreifen die Flächen-Bundesländer sehr unterschiedliche Maßnahmen. Auch die Forderungen von Viehhaltern und Naturschützern zum Umgang mit dem streng geschützten Tier variieren. Wie sieht die Situation in den Bundesländern aus?
In Sachsen wurden im Sommer 2001 die deutschlandweit ersten Wölfe gesichtet. In den Folgejahren vermehrten sich die Tiere stark. Schon früh wurden sogenannte Herdenhunde für den Schutz des Weideviehs eingesetzt. Streit gibt es derzeit über den möglichen Abschuss eines Wolfes in der Lausitz. Das Tier hatte eine Schafherde angegriffen. Naturschützer gehen gerichtlich gegen eine Jagderlaubnis vor.
In Brandenburg treffen sich verärgerte Viehhalter zu abendlichen Mahnwachen bei ihren Herden, um sie gegen den Wolf zu verteidigen. Schlagzeilen machte jüngst ein Vorfall in der Nähe von Potsdam - dort erschoss ein dänischer
Jäger ohne Genehmigung eine Wölfin. Generell ist der Abschuss verboten, doch im Wolfsmanagementplan für Brandenburg sind Ausnahmen für auffällige Wölfe vorgesehen.
In Sachsen-Anhalt wird derzeit über den Schutz von Rinderherden diskutiert. Schon mehr als 40 Kälber sind in diesem Jahr durch Wölfe getötet worden. In zwei Pilotprojekten testet das Wolfskompetenzzentrum des Landes neue Zäune für Weiden.
Rinderhalter bekommen bislang keine Fördergelder vom Land.
In Mecklenburg-Vorpommern hat vor Kurzem ein Schäfer nahe der polnischen Grenze einen Abschussantrag gestellt. Ein Wolf hatte seine Schafherde seit Anfang Oktober neun Mal attackiert - trotz eines zwei Meter hohen Zaunes. Das Land entschied, keine Genehmigung zu erteilen, stattdessen aber einen Untergrabeschutz mitzufinanzieren.
In Thüringen könnte es bald sechs Wolf-Hund-Mischlingen an den Kragen gehen, weil sich ihre Mutter mit einem Haushund eingelassen hat. Um die Art Wolf und auch Menschen zu schützen, sollen die Tiere aus der freien Wildbahn geholt werden. Die Frage, ob die kleinen Mischlinge hierfür getötet werden müssen, sorgt für hitzige Debatten.
In Niedersachsen ist der Wolf seit Jahren ein politisches Reizthema. Spätestens der Abschuss von Wolf «Kurti», der Menschen immer wieder gefährlich nahe gekommen war, ließ die Debatte hochkochen. In Zukunft soll der Abschuss ganzer Rudel möglich werden - nach entsprechender Genehmigung.
In Cuxhaven werden derweil zwei Esel eingesetzt, um eine Schafherde zu schützen.
In Schleswig-Holstein vergütet das Land Viehhaltern sowohl Schäden, die nachweislich durch Wölfe verursacht wurden, als auch solche, bei denen Wölfe als Verursacher nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Grundlage für die
Entschädigung ist der Wert, den ein
Lamm zum Zeitpunkt seiner Vermarktung hätte erzielen können.
In Nordrhein-Westphalen ist kein Wolf sesshaft. Allerdings gibt es sieben Nachweise für durchziehende Wölfe. Das Thema bewegt auch hier die Menschen: Aus dem Kreis der
Bauern in Westfalen kam in diesem Sommer der Vorschlag für einen beschränkten Abschuss. Die Landwirte im Rheinland hingegen lehnen die
Jagd auf den Wolf ab.
In Hessen wurde zuletzt Anfang September ein Wolf nachgewiesen. Einem Naturfotografen im Odenwald gelang ein seltener Schnappschuss. Voraussetzung für das Töten eines Wolfes ist in Hessen, dass von ihm eine Gefahr für Menschen ausgeht oder dass er krank ist. Dann darf die Polizei das Tier erschießen - oder ein beauftragter Jäger.
In Rheinland-Pfalz wurde der erste nachgewiesene Wolf bereits 2012 von einem Jäger im Westerwald erschossen. Der Jäger hatte das Tier angeblich für einen wildernden Hund gehalten. Ein Gericht verurteilte ihn dennoch zu einer Geldstrafe von 3500 Euro. Abgeschossen werden dürfen die Tiere laut Wolfsmanagementplan nur nach Genehmigung.
Im Saarland ist die Ankunft eines Wolfes noch Theorie, doch in den Nachbarländern Luxemburg und Rheinland-Pfalz sind bereits Tiere gesichtet worden. Getötet werden darf ein Wolf laut Managementplan des Landes unter anderem dann, wenn er aggressiv ist. Es gilt der Grundsatz: «Die menschliche Sicherheit steht an erster Stelle».
In Baden-Württemberg lassen Schäfer und Naturschützer zurzeit einen speziellen Elektrozaun entwickeln, der auch in hügeliger
Landschaft zum Schutz vor Wölfen eingesetzt werden kann. Insbesondere Schäfer im Südwesten des Landes fühlen sich noch nicht ausreichend auf die Rückkehr des Wolfes vorbereitet.
In Bayern sind nur zwei wilde Wolfspaare nachgewiesen. Für Schlagzeilen sorgten Anfang Oktober allerdings sechs Wölfe aus einem Freigehege im Bayerischen Wald. Unbekannte hatten das Tor geöffnet, die Tiere entkamen. Zwei Wölfe werden noch immer gesucht.