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08.01.2020 | 01:12 | Energiewende 

Klimaschutz in Deutschland kommt gut voran

Berlin - Zum Jahresbeginn gibt es gute Nachrichten für Deutschland in Sachen Klimaschutz. Die Energiewende - also vor allem der Umstieg auf Strom aus erneuerbaren Energien - ist 2019 ein ganzes Stück weitergekommen.

CO2-Emissionen reduziert
Umweltverbände und Opposition lassen an Deutschlands Klimaschutz kaum ein gutes Haar. Doch 2019 sank der Treibhausgas-Ausstoß deutlicher als erwartet. Woran das lag, wo es trotzdem klemmte - und warum es nicht automatisch so weitergeht. (c) proplanta
Und der CO2-Ausstoß ist dadurch stärker gesunken als man bisher gedacht hätte, wie eine am Dienstag erschienene Auswertung der Denkfabrik Agora Energiewende zeigt.

Selbst das eigentlich längst abgeschriebene 2020-Ziel, nämlich 40 Prozent weniger Treibhausgas-Ausstoß pro Jahr als 1990, scheint wieder in Reichweite. Mit Blick auf die kommenden Jahre gibt es aber noch viele offene Fragen.

Warum hat der Treibhausgas-Ausstoß sich 2019 verringert?

Weil weniger Strom aus Braun- und Steinkohle produziert wurde und mehr aus erneuerbaren Energien, vor allem aus Wind. Der Ökostromanteil am Brutto-Stromverbrauch kletterte 2019 Agora Energiewende zufolge auf fast 43 Prozent, im Vorjahr waren es noch etwa 38 Prozent gewesen.

Ihr Anteil an der Stromproduktion stieg von gut 35 auf 40 Prozent - er ist geringer als der Anteil am Verbrauch, weil Deutschland Strom ins Ausland exportiert. Der Kohle-Anteil an der Stromproduktion fiel dagegen von 35,8 auf 28,2 Prozent, wie es in der Auswertung heißt. Zudem sank der Stromverbrauch, obwohl die Wirtschaft weiter wuchs. Mehr als 50 Millionen Tonnen CO2 konnten so eingespart werden.

Was heißt das jetzt für die deutschen Klimaziele?

Dem 2020-Ziel von 751 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten, das die Bundesregierung schon abgeschrieben hatte, kommt das Land näher. Den Berechnungen zufolge waren es 2019 noch 811 Millionen Tonnen CO2 und damit 35,2 Prozent weniger als 1990 gewesen. Allerdings müsste sich in diesem Jahr noch mehr tun als im letzten, um die 40-Prozent-Marke zu schaffen.

2030 soll die Marke 55 Prozent erreicht werden, das wären noch 563 Millionen Tonnen. Von 2020 an schreibt ein Klimaschutzgesetz den Einzelbereichen Verkehr, Energiewirtschaft, Landwirtschaft, Gebäude, Industrie sowie Abfallwirtschaft und anderen feste CO2-Jahresbudgets vor. Minister müssen nachlegen, wenn ihr Bereich Ziele reißt.

Ist das ein Erfolg der deutschen Klimapolitik?

Da gehen die Meinungen auseinander. Agora Energiewende sieht als einzigen echten Grund, dass der CO2-Preis für die Energiewirtschaft in der EU gestiegen ist - damit war der Kohlestrom gegenüber Erdgas und Erneuerbaren weniger konkurrenzfähig.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) betont aber, dass dieses EU-System von der Politik reformiert wurde, und die Regierung den Ökostrom-Ausbau und das Abschalten einiger Kohlemeiler aktiv beschlossen habe.

Sind damit die drohenden Strafzahlungen in der EU vom Tisch?

Nein, denn da geht es gerade nicht um die Energiewirtschaft, die bisher das meiste CO2 einspart. Sondern vor allem um die Bereiche Verkehr, Heizen in Gebäuden und Landwirtschaft.

Für sie gibt es zusammen schon ein Jahresbudget in der EU, das Deutschland überschreitet. Daran hat sich 2019 wohl nichts geändert, denn der Verbrauch von Diesel, Benzin und Heizöl ist geklettert - und damit sind wohl auch die Emissionen im Verkehr, wo sich seit 1990 ohnehin kaum etwas getan hatte. Das liegt Agora Energiewende zufolge auch daran, dass mehr schwere SUVs herumfahren, die mehr Sprit brauchen.

Und was soll im Verkehrsbereich passieren?

Im Klimapaket setzt die Bundesregierung viel auf Förderung, etwa von Elektroautos und Ladepunkten. Geplant ist außerdem, die Kfz-Steuer stärker am CO2-Ausstoß auszurichten, aber ein Entwurf von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) lässt auf sich warten.

Außerdem soll ein CO2-Preis ab 2021 Sprit und auch Heizöl nach und nach teurer machen. Im Gegenzug steigt aber die Pendlerpauschale, weswegen Kritiker glauben, dass der Effekt begrenzt sein wird.

Wird die Entwicklung der Emissionen insgesamt so weitergehen?

Zumindest der Direktor von Agora Energiewende, Patrick Graichen, hat große Zweifel - denn inzwischen stockt der Ökostrom-Ausbau, vor allem bei der Windenergie gibt es Probleme. Dazu kommt, dass Deutschland bis Ende 2022 aus der Atomkraft aussteigt, die 2019 noch rund 12 Prozent Anteil an der Stromproduktion hatte. Und wenn mehr Autos elektrisch fahren, klettert der Strombedarf.

Nach Berechnungen des Energiewirtschaftlichen Instituts der Universität Köln (EWI) für das «Handelsblatt» steigt er bis 2030 um 26 Prozent. Offen ist, wie klimafreundlicher Ökostrom das alles abdecken soll.

Wo klemmt es gerade bei der Energiewende?

An vielen Stellen. Da ist einmal der stockende Ausbau vor allem von Windrädern an Land. Es gibt mehrere Gründe dafür, einer ist der oft erbitterte Widerstand von Anwohnern. Wie man das ändern kann - etwa über Abstandsregelungen oder eine finanzielle Beteiligung der Gemeinden oder Bürger - wird seit langem beraten. Bis Ende März soll es einen Plan geben.

Noch nicht auf Kurs sind aber auch der Ausbau der Stromnetze und vor allem auch der Stromspeicher. Zudem verzögert sich die gesetzliche Umsetzung des Kohleausstiegs, für den eine Kommission vor einem Jahr einen Plan vorgelegt hat. Verhandlungen der Regierung mit Braunkohle-Konzernen dauern länger als geplant.

Wäre es eine Lösung, Atomkraftwerke länger laufen zu lassen?

Darüber denken in letzter Zeit manche Politiker laut nach. Die Bundesregierung will aber am Atomausstieg nicht rütteln, der nach der Atomkatastrophe von Fukushima beschlossen wurde. Auch die Konzerne sind auf den Ausstieg längst eingestellt.
dpa
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