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16.10.2010 | 16:09 | Ölpest Golf von Mexiko 

Sechs Monate Ölpest vor US-Küste - Wird sich was ändern?

Washington - «Bohrinseln verursachen heute im allgemeinen keine Ölpest», sagte Barack Obama. «Sie sind technologisch sehr weit entwickelt.»

Strand
Das war Anfang April, der US-Präsident hatte gerade neue Ölbohrungen in Küstengewässern erlaubt, am Golf von Mexiko war die Welt noch in Ordnung. Bis zum 20. April, dem Tag, als die Ölplattform «Deepwater Horizon» der britischen Firma BP sich in einen Feuerball verwandelte und die schlimmste Ölpest in der US-Geschichte in Gang setzte. Elf Menschen kamen bei der Explosion ums Leben, zwei starben beim Kampf gegen die Ölpest.

Kaum eine andere Ökokatastrophe hatte die Amerikaner derart
schockiert: Ölverschmierte Vögel, verseuchtes Marschland im Mississippi-Delta, Fangverbot in Küstengewässern. «Die schlimmste Umweltkatastrophe, der sich Amerika je stellen musste», klagte Obama
- von der vermeintlich sicheren Bohrtechnik war keine Rede mehr.


Zufall oder bewusstes Timing?

Fast ein halbes Jahr nach Beginn der Katastrophe gab die US-Regierung jetzt bekannt, dass sie wieder Tiefsee-Bohrungen zulässt. Wieder spricht Washington von «entscheidenden Fortschritten», die Gefahren von Tiefseebohrungen zu reduzieren - Kritiker meinen, es sei eher die mächtige Ölindustrie, die die Regierung gedrängt hat. «We are open für business» (Wir sind wieder offen für Geschäfte), sagte Innenminister Ken Salazar.

Dabei sind die Folgen der Katastrophe längst nicht beseitigt. Die Behörden räumen ein, dass nach wie vor rund 950 Kilometer Golfküste mehr oder weniger verseucht seien - darunter schönste Strände. Bis in den Winter wird es dauern, bis die hässlichen, schwarzen Ölflecken und die Teerklumpen verschwunden sind.

Wie ernst die Lage - trotz mancher Beteuerungen - ist, lässt sich an der Zahl derjenigen ablesen, die sechs Monate danach noch immer im Einsatz sind: 16.290 Menschen sind «derzeit dabei, Küstenstreifen und Tiere zu schützen», teilt das Einsatzzentrum offiziell mit. Nach Entwarnung klingt das nicht gerade.

Schockierend sind auch die Erkenntnisse, die jetzt Stück für Stück ans Tageslicht kommen. Eine Untersuchungskommission kam jüngst zu dem Schluss, dass die Regierung zu Beginn der Katastrophe geradezu hilflos war. «Die Regierung erweckte den Eindruck, dass sie entweder nicht völlig kompetent war, die Ölpest zu bewältigen oder nicht völlig ehrlich zum amerikanischen Volk, was die Reichweite des Problems betraf.» Sie habe nicht einmal gewusst, wie viel Öl tatsächlich ins Meer floss. Zeitweise geriet auch Obama während der Krise ins Trudeln.

Hilflos, ratlos, inkompetent - das gilt auch für die Ölindustrie. Rund drei Monate fanden die Ingenieure von BP kein Mittel, die schwarze Fontäne in 1.500 Meter Tiefe zu stoppen. «Es verängstigt uns alle, dass wir es nicht schaffen, die Quelle zu schließen», gab BP-Top-Manager Doug Suttles im Mai unumwunden zu.

Kleinlaut mussten die Experten einräumen, dass sie mit einem Unfall in derartiger Tiefe so gut wie null Erfahrung hatten. Zwar gab es reichlich Methoden, Lecks zu stopfen - aber in 1.500 Metern Tiefe ist eben alles viel schwieriger. Reihenweise floppten Rettungsversuche. Jetzt sagt die Regierung, in der Tiefsee dürfen künftig nur solche Unternehmen bohren, die für den Notfall auch einen «Plan B» haben.

Drei Monate dauerte es, bis das Leck geschlossen wurde, nochmals zwei, bis die Quelle endgültig versiegelt war. 780 Millionen Liter Öl flossen in den Golf von Mexiko - mehr als jemals zuvor.

Erstaunlich, wie wenig die Katastrophe die Debatte über saubere Energie in den USA beflügelte. Statt die Bemühungen um einen Kurswechsel anzuheizen, bewirkte das Unglück eher das Gegenteil: Der Kongress legte den Gesetzentwurf in Sachen Klimawandel erst einmal auf Eis.

«Tschernobyl hat dabei geholfen, den Bau von Atomreaktoren in Europa zu beenden», meint die «Washington Post» mit Blick auf den Nuklearunfall 1986 in der Ukraine. «Aber die Tiefsee-Bohrungen werden weitergehen, weil das der Ort ist, wo das Öl ist.» Das Blatt stellt mit Recht die Frage: «Wird sich irgendwas ändern?» (dpa)
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