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17.09.2008 | 14:42 | Ökosteuer 

Paris plant Ausweitung der Ökoabgaben

Paris - Frankreich «entdeckt» die Ökosteuer. Nach dem durchschlagenden Erfolg bei Autos will die Regierung jetzt ein breites Warenspektrum von Flachbildschirmen über Waschmaschinen bis zur Eigentumswohnung mit einer Sondersteuer (Malus) belegen, wenn sie die Umwelt zu sehr belasten.

Geld
(c) proplanta
Dafür sollen umweltschonende Produkte einen Bonus bekommen, also steuerlich vergünstigt werden. Auf Pappteller und Kunststoffbesteck droht eine «Picknick-Steuer».

Doch es regt sich Widerstand. «Die Ökosteuer ist ein Wahnsinn», wettert der Regierungs-Abgeordnete François Goulard. «Man nutzt den Vorwand Ökologie, um die Staatskassen ein wenig zu füllen.» Und Unternehmerchefin Laurence Parisot warnt, der Wirtschaft im aktuellen Krisenumfeld neue Steuern aufzuerlegen.

Das Bonus-Malus-System werde einkommensneutral, versichert Umweltminister Jean-Louis Borloo. Doch viele Bürger sind skeptisch, zumal die Opposition vorrechnet, dass Präsident Nicolas Sarkozy seit seinem Amtsantritt «jeden Monat eine neue Steuer» geschaffen habe.

Andererseits zahlt die Regierung beim Anfang 2008 eingeführten Bonus-Malus-System für Autos kräftig drauf. Da ist es angesichts leerer Staatskassen nur ein kleiner Trost, dass die Umweltmaßnahme passgenau die französischen Autobauer fördert und die deutschen Anbieter belastet. Auch wenn Ministerialbeamte gerne auf die segensreichen Folgen für Renault und PSA Peugeot-Citroën hinweisen.

140 Millionen Euro muss der Staat 2008 den Bürgern mehr Boni für abgasarme Neuwagen zahlen, als er an Sonderabgaben für Luftverpester einnimmt. Denn die Franzosen schrecken jetzt viel stärker von den mächtig CO2 ausstoßenden Geländewagen und Großlimousinen zurück und kaufen stattdessen kleinere und «vernünftigere» Autos, als Borloo erwartet hatte. Damit das bei der Ausweitung des Bonus-Malus-Systems auf andere Waren nicht wieder geschieht, will Sarkozy dem Vernehmen nach Borloos Budget um den Betrag beschneiden, den die Reform netto kostet. Borloo bekommt also selbst einen «Malus» auferlegt, wenn es zu Steuerausfällen kommt - ohne auf einen «Bonus» hoffen zu können.

Ab 2009 sollen die Verbraucher nun nach einer inoffiziellen Liste mit Blick auf den Geldbeutel auch beim Kauf von Autoreifen auf Umweltaspekte achten - zum Beispiel die Höhe der Reibungsverluste. Zufällig hat Michelin gerade ein reibungsarmes Produkt im Programm.

Bonus und Malus sollen dafür sorgen, dass die Konsumenten bei Geschirrspülern und Waschmaschinen auf niedrigen Strom- und Wasserverbrauch achten und umweltverträgliche Farben für die Wohnungsrenovierung wählen. Das System soll für Waschmittel ebenso gelten wie für Holzmöbel, Lampen, Handys und sogar Wohnungen, deren Wärmeisolierung und Heizung gewichtet werden.

Wegwerfprodukte will Borloo zusätzlich mit 90 Cent je Kilo belasten. «Wir produzieren pro Jahr und Person 360 Kilogramm Abfall, das sind 100 Kilo mehr als die Japaner», sagt Umwelt-Staatsskretärin Nathalie Kosciusko-Morizet. «Wenn wir nicht unter Müll enden wollen wie Neapel, müssen wir die Quellen verkleinern.» In Belgien gebe es eine solche «Picknick-Steuer» schon, sagte Kosciusko-Morizet. Man könne sie auf Pappteller und Einwegrasierer erheben, aber auch auf Wegwerffeuerzeuge und Alu-Papier.

Eine Parlamentsdebatte über das Bonus-Malus-System will Borloo vermeiden. Er zieht ein Einführung per Dekret vor. Nur die «Picknick-Steuer» dürfte ins Budgetgesetz 2009 kommen. In den nächsten Wochen sollen die Boni und Mali für die 19 ins Auge gefassten Produktfamilien genauer ausgefeilt werden. (dpa)
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